Qualität von Obst und Gemüse in Deutschland deutlich verbessert
Archivmeldung vom 22.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"Ohne Qualitätssicherung keine Zukunft für Obst und Gemüse" - in dieser Einschätzung waren sich die Experten bei einer vielbeachteten Podiumsdiskussion auf dem ErlebnisBauernhof der Internationalen Grünen Woche in Berlin einig.
Der vor etwa
einem Jahr von der Organisation Greenpeace angeprangerte
"Sündenfall", d.h. zu hohe Rückstände von Pflanzenschutzmitteln bei
Obst und Gemüse im deutschen Lebensmittelhandel, habe das Unternehmen
Lidl zum Anlass genommen, weitreichende Neuerungen in der
Qualitätssicherung einzuführen. Zu dem sehr positiven Ergebnis, das
in einem erneuten Test im Januar 2007 deutlich wurde, gratulierte
Prof. Dr. Edda Müller von der Verbraucherzentrale Bundesverband
(VzBv) dem Lebensmitteldiscounter anlässlich dieser Diskussionsrunde
ausdrücklich.
Walter Pötter, Generalbevollmächtigter der Lidl-Stiftung & Co. KG,
bestätigte: "Wir waren geschockt. Die Kunden haben uns die gelbe
Karte gezeigt, aber wir haben unsere Lektion gelernt." Deshalb sei
innerhalb eines Jahres auf freiwilliger Basis und in Kooperation mit
Verbänden und dem Verbraucherschutz ein bislang einzigartiges,
umfassendes Qualitätsmanagement eingeführt worden. Eine umfassende
Datenbank mit 24.000 Gutachten dokumentiere das System, das in dieser
Form ein Novum im deutschen Lebensmittelhandel sei. "Wir legen diese
Daten gerne offen", so Walter Pötter. Auf Basis dieses vernetzten
Systems über alle Prozessstufen hinweg - vom Erzeuger bis hin zur
Verkaufstheke in den Supermärkten - habe Lidl im vergangenen Herbst
Weintrauben aus dem Sortiment genommen. "Wenn deutlich mehr als 90 %
der in unserem Unternehmen gezogenen Proben laut der Datenbank
unterhalb eines Drittels der zulässigen Höchstmengen gelegen haben,
dann ist das der Erfolg unseres neuen Qualitätsprogramms", machte
Pötter deutlich.
Prof. Dr. Edda Müller vom VzBv würdigte die Qualitätsoffensive und
zeigte sich überzeugt, dass dieser Erfolg nicht zuletzt den
Verbrauchern zu verdanken sei, die sich für eine hohe Qualität ihrer
Lebensmittel einsetzten. Allerdings sehe sie die Gefahr, dass nur
große Handelsunternehmen in der Lage seien, solche aufwändigen
Systeme zu etablieren. Insofern sei der Staat gefordert, sich nicht
weiter aus der Kontrolle zurückzuziehen. Dies gelte insbesondere vor
dem Hintergrund, dass die staatliche Kontrolle - anders als
privatwirtschaftliche Systeme - erst im Handel ansetzten, und
Nachweise von Rückständen i.d.R. deshalb erst dann erfolgten, wenn
das betroffene Produkt bereits vermarktet worden sei. Darüber hinaus
sei bislang noch unzureichend geklärt, wie Mehrfachrückstände
unterschiedlicher Pflanzenschutzmittel in einem Produkt zu bewerten
seien. "Insofern muss heute konstatiert werden, dass im deutschen
Markt insgesamt noch keine flächendeckende und umfassende Kontrolle
stattfindet, auch wenn - im Zusammengehen von Handel und
Qualitätssicherungssystemen wie QS und EurepGap - bereits positive
Entwicklungen zu verzeichnen sind", stellt Edda Müller fest.
Dr. Hermann-Josef Nienhoff, Geschäftsführer der QS Qualität und
Sicherheit GmbH, betonte die Bedeutung, die stufenübergreifenden
Systemen zur Qualitätssicherung zukommt. So umfasse QS die gesamte
Produktionskette vom Erzeuger über Handel und Verarbeitung bis hin
zum Lebensmitteleinzelhandel und decke dabei nicht nur die
Prozesskontrolle, sondern gleichzeitig auch die Produktkontrolle ab.
So könne gewährleistet werden, dass weder
Höchstmengenüberschreitungen noch die Verwendung unerlaubter
Pflanzenschutzmittel zu Problemen führten. Im Übrigen stehe ein
System wie QS nicht nur "den Großen am Markt" zur Verfügung; indem
etwa der Großhandel an dieser Qualitätssicherung teilnehme, komme
dies automatisch auch "dem kleinen Lebensmitteleinzelhändler um die
Ecke" zugute. Allerdings, und dies dürfe man bei allem vorsorgenden
Verbraucherschutz nicht vergessen: "Eine hundertprozentige Sicherheit
gibt es auch bei umfassender Qualitätssicherung nicht", so Dr.
Nienhoff.
Dr. Kristian Möller von EurepGap stellte fest, dass
Qualitätssicherung auch bedeute, "die Verbraucherwünsche an den
Erzeuger zu bringen". Insofern sei die Partnerschaft zwischen
Erzeugern und Handel ganz wesentlich. Daneben sei aber auch die
Dokumentation und die zentral gespeicherte Kontrolle innerhalb der
Kette bis zum Lebensmitteleinzelhandel von zentraler Bedeutung. Im
Segment Obst und Gemüse, so könne festgestellt werden, sei in
Deutschland inzwischen eine umfassende Qualitätssicherung bei 70 bis
100 Prozent der Waren bereits heute Realität.
Auf die Festlegung und Bedeutung von Höchstwerten für
Pflanzenschutzmittel verwies Dr. Christian Grugel, Präsident des
Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. So
seien Lebensmittel grundsätzlich sicher, wenn die gesetzlichen
Höchstmengen eingehalten würden. Sie seien auf Basis
wissenschaftlicher Erkenntnisse für eine lebenslange Aufnahme
konzipiert und würden bei neuen Erkenntnissen automatisch angepasst.
Zusätzlich werde bei der Festlegung von Höchstwerten jeweils noch der
"Faktor 100" genutzt, d.h. die eigentlich als sicher eingestuften
Höchstmengen würden aus Vorsorgegründen nochmals um den Faktor 100
reduziert. Im Übrigen seien etwa für Kleinkinder nochmals gesonderte
Werte festgelegt worden. Insofern sei es als reine Vorsorgemaßnahme
zu verstehen, wenn Produkte mit geringen Überschreitungen der
zulässigen Höchstmengen jeweils aus dem Verkehr gezogen würden.
Gleichermaßen aus Sicht von Behörden und Handel sei aber derzeit noch
unbefriedigend, dass zwar schon eine ganze Reihe von Höchstmengen
einheitlich für Europa festgelegt worden seien, darüber hinaus aber
auch noch weiterer Harmonisierungsbedarf bestehe.
Prof. Dr. Brigitte Petersen von der Universität Bonn zeigte sich mit Blick auf die zukünftige Situation überzeugt, dass die privaten Systeme zur Qualitätssicherung den Wettbewerb um "mehr Qualität" noch weiter ankurbeln würden. Die Strukturen seien inzwischen geschaffen und verfügbar, müssten aber nun auch auf allen Stufen konsequent umgesetzt und mitgetragen werden. Das sei nicht zuletzt mit dem in Deutschland geltenden Lebensmittelrecht zu begründen, nach dem jeder, der Produkte in Verkehr bringe, dafür auch die Verantwortung zu übernehmen habe. Das - schon jetzt erkennbare - Erfolgsgeheimnis stufenübergreifender Ansätze liege in dem Dialog zwischen Kunde und Lieferant, so die Wissenschaftlerin.
Quelle: Pressemitteilung ErlebnisBauernhof