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Pferdefleischskandal: Mehrheit fühlt sich von Industrie wissentlich getäuscht

Archivmeldung vom 20.02.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.02.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Schematische Darstellung
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Foto: sunny
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

60 Prozent der Verbraucher fühlen sich beim aktuellen Pferdefleischskandal wissentlich von der Industrie getäuscht. Das ergab eine Umfrage von YouGov für die PR-Agentur Ketchum Pleon. Demnach hat sich vor allem die Einstellung gegenüber Zulieferbetrieben verschlechtert.

Bei der Forderung nach Konsequenzen sind die Befragten im Vergleich zum Dioxin-Skandal 2011 aber zurückhaltender. 60 Prozent verlangen stärkere Kontrollen der Regierung und 45 Prozent fordern, das sich die Wirtschaft stärkere Selbstkontrollen auferlegen muss. 2011 lag die Zahl um je 30 Prozent höher. Nur 36 Prozent fordern, Verbraucher müssten bereit sein, mehr für hochwertige Lebensmittel zu bezahlen.

Indes lehnen 42 Prozent Pferdefleisch nicht ab, so lange es gekennzeichnet ist. Gefragt nach dem Hauptkriterium für den Kauf von Fleisch geben 42 Prozent der Befragten die regionale Herkunft an. Nur für 19 Prozent sind Qualitäts- und Gütesiegel für den Kauf entscheidend.

Lebensmittelskandal: Hersteller von Schulkantinenessen fordert schärfere Vorgaben

Als Reaktion auf den Pferdefleisch- und andere Lebensmittelskandale fordert Adrienne Axler, Chefin eines der größten Herstellers von Schulkantinenessen, Sodexo, Unterstützung auch seitens der Politik. Während es bislang für Tiefkühlprodukte mit Verweis auf die Vielzahl von Zutaten keine Pflicht für einen Herstellernachweis gebe, mache dies für einfache Produkte wie gefrorene Erdbeeren, Erbsen oder ähnliches durchaus Sinn. "Für uns wäre es sehr hilfreich, wenn es hier seitens der Politik präzisere Vorgaben gäbe", sagte die Managerin des Catering-Unternehmens der "Welt". "Man muss uns auch die Mittel an die Hand geben, damit wir unserer Verantwortung gerecht werden können."

Sodexo selbst hatte im Herbst 2012 Schlagzeilen geschrieben, weil mit Viren infizierte Erdbeeren im Schulessen bei Tausenden Schülern in Berlin und Ostdeutschland zu Brechdurchfällen führten. Als Reaktion auf den Vorfall, der das Unternehmen Axler zufolge schon jetzt drei Millionen Euro gekostet hat, lege Sodexo heute "den allergrößten Wert auf die Rückverfolgbarkeit aller Waren zu ihrem jeweiligen Hersteller".

In Folge der Gesetzeslücke für Tiefkühlprodukte seien allerdings auch die infizierten Erdbeeren 2012 mit einem Etikett eines Herstellers aus Ostdeutschland versehen gewesen, obwohl sie aus China geliefert wurden. Zudem habe man sich - allerdings schon vor dem Vorfall - entschieden, "dass wir zu Dumpingpreisen einfach keine Geschäfte abschließen."

Trotz aller Vorkehrungen, die die Unternehmen ergriffen, werde es eine hundertprozentige Sicherheit allerdings niemals geben, so Axler: "In unserer globalisierten Welt, wo die Lieferketten immer komplexer werden, ist eine effektive Kontrolle deutlich schwieriger geworden als früher."

Sodexo zufolge ist das Preisniveau für Schulessen in Berlin mit bislang 2,10 Euro eines der niedrigsten in ganz Westeuropa. "Ich war wirklich geschockt, als ich von dem Preisniveau in Berlin gehört habe", bekannte Axler. In Belgien würden teils vier Euro und mehr für ein Schulessen gespart, europaweit liege der Schnitt bei um die drei Euro.

Grüne nennen Aigner die "Schutzpatronin des Billigfleisches"

Die Grünen sehen einen entscheidenden Grund für den Pferdefleischskandal in dem Einfluss, den die Lobby aus Industrie, Handel und Landwirten auf die Bundesregierung habe. "Ministerin Aigner ist die Schutzpatronin der Agrarindustrie und des Billigfleisches", sagte Grünen-Vizefraktionschefin Bärbel Höhn der "Rheinischen Post".

Viele Koalitionsabgeordnete kämen aus der Ernährungsindustrie und säßen weiterhin in diversen Aufsichtsräten. In diesem Lobbysystem sei Aigner "eingemauert", kritisierte Höhn. Deswegen habe sie auch bislang schärfere Kennzeichnungspflichten für Fleisch in Fertigprodukten verhindert.

Verbraucher-Boss Billen fordert gesetzliche Standards für Güte-Siegel

Im Pferdefleisch-Skandal waren einige Produkte, die vom Markt genommen wurden, mit Güte-Siegeln für Lebensmittel ausgezeichnet, die von Supermärkten und Händlern selbst vergeben wurden. Wie die "Bild-Zeitung" berichtet, fordert Verbraucherzentralen-Boss Gerd Billen nun klare Richtlinien von Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU).

Billen sagte gegenüber dem Blatt: "Verbraucher verlieren in dem Siegel-Wald den Durchblick. Wir brauchen verlässliche Siegel, die unabhängig und überprüfbar sind. Dafür müsste Frau Aigner für gesetzlich verbindliche Standards sorgen und sich in der EU für klare Leitsiegel einsetzen."

Martin Rücker, Sprecher von Verbraucherorganisation Foodwatch, sagte "Bild": "Den Verbrauchern helfen nur einheitliche Informationen, die auf allen Produkten verpflichtend stehen müssen. Frau Aigner verschanzt sich gern hinter Prüfaufträgen, die in der EU laufen, während deren Dauer sie hier national nichts umsetzen kann. Die zahlreichen Pseudo-Siegel verunsichern die Verbraucher."

Pferdefleisch-Skandal: Aigner sieht Handel in der Verantwortung

Im Pferdefleisch-Skandal wehrt sich Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) gegen Erklärungen des Einzelhandels, die Händler seien dabei die Opfer. "Es kann nicht sein, dass die Handelsmultis ihre Verantwortung leugnen und sich jetzt als Opfer darstellen", sagte Aigner der "Bild-Zeitung". Zudem wisse "jeder Pizzabäcker", welche Zutaten er verwende.

"Auch große Handelskonzerne, die unsere ganze Republik beliefern, müssen jederzeit wissen, was drin ist in ihren Produkten und woher es kommt", so die Ministerin. "Der Handel ist verpflichtet zur Qualitätssicherung. Das sind klare Vorschriften. An dieser Stelle haben die Eigenkontrollen versagt. Hier werden wir die Firmen nicht aus der Verantwortung entlassen, da bin ich mir mit meinen Ministerkollegen in den Ländern einig."

Bund und Länder würden nun die Kontrollsysteme der Supermarktketten durchleuchten, ein Frühwarnsystem entwickeln, um Anreize für großangelegte Verbrauchertäuschung früher erkennen zu können. Aigner weiter: "Damit könnte man gezielter gegen kriminelle Machenschaften vorgehen. Die Politik handelt. Auch der Handel muss umdenken: Wer nur noch den schnellen Profit sieht und wem die Herkunft der Lebensmittel egal ist, hat als Unternehmer versagt. Der Vertrauensschaden, der durch den Pferdefleisch-Skandal entstanden ist, wird die Unternehmen teuer zu stehen kommen."

Kaufland entdeckt Pferdefleisch in Bolognese-Fertiggericht

Die Einzelhandelskette Kaufland hat ebenfalls Pferdefleisch in einem Fertiggericht entdeckt. In dem Tiefkühlprodukt "K-Classic Penne Bolognese 750g" seien durch Eigenkontrollen "geringe Anteile an Pferdefleisch" festgestellt wurden, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.

Verbraucher könnten das Produkt mit dem "Mindesthaltbarkeitsdatum 03/2014" in jeder Filiale gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben, auch ohne Vorlage des Kassenbons. Kaufland habe den Artikel nach Bekanntwerden der Information aus dem Verkauf genommen und umgehend die zuständige Behörde informiert, heißt es weiter. Die Ergebnisse aller weiteren bisher vorliegenden Untersuchungen seien bislang ohne Befund.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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