Nanopartikel in Lebensmitteln
Archivmeldung vom 11.03.2008
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Freigeschaltet durch Oliver Randakunsichtbar, kaum auf Risiken geprüft,gesetzlich ungeregelt. Bundesregierung muss Verkaufsstopp beschließen
Obwohl es eine wachsende Zahl wissenschaftlicher
Belege für mögliche Gesundheits- und Umweltgefahren gibt, werden nach Recherchen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im
Lebensmittelbereich nachweislich in rund einhundert zum Teil auch in
Deutschland verkauften Produkten Nanomaterialien eingesetzt.
Die
Hersteller dieser Produkte, dabei handelt es sich neben Lebensmitteln
vor allem um Nahrungsergänzungsmittel, Küchenartikel, Verpackungen
und Agrochemikalien, verschweigen oft die Verwendung von
Nanomaterialien. Zudem fehlen gesetzlich vorgeschriebene Tests, um
Verbraucher und Umwelt ausreichend vor den Risiken zu schützen, die
besonders im Lebensmittelbereich von den winzigen Nanopartikeln
ausgehen können.
Das sind die wichtigsten Ergebnisse der ersten
umfangreichen Studie zur Anwendung synthetischer Nanomaterialien im
Lebensmittelsektor, die der BUND heute gleichzeitig mit seinen
Partnerorganisationen von "Friends of the Earth" in Australien,
Europa und den USA veröffentlicht hat.
Zu den Firmen, die Nanopartikel für den Lebensmittelbereich
herstellen, gehören BASF und Evonik (vormals Degussa). Nanopartikel
messen nur wenige hundert Nanometer und sind damit etwa 50000 Mal
kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Sie wirken
chemisch und physikalisch zumeist stärker als größere Teilchen des
gleichen Stoffes und können leichter in Zellen, Gewebe und Organe
eindringen. Ihre stärkere biologische Reaktionsfähigkeit kann auch
zur höheren Toxizität führen.
Beispielsweise kann der sonst
unbedenkliche Lebensmittelzusatz Titandioxid in Nanogröße die DNS
sowie Zellfunktionen schädigen und so die Abwehrkräfte von
Immunzellen beeinträchtigen. Mit der Nahrung aufgenommene
Nanopartikel können die Darmwände durchdringen und ins Blut
übergehen. Sie können in verschiedene Organe gelangen und die
Blut-Hirn-Schranke überwinden. Außerdem werden sie mit zunehmenden
Fällen der entzündlichen Darmkrankheit Morbus Crohn in Verbindung
gebracht.
"Die Lebensmittelindustrie nimmt die Risiken des Einsatzes von Nanomaterialien in ihren Produkten offenbar nicht ernst", sagt
Wilfried Kühling, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des
BUND. "Weltweit sind schätzungsweise bereits bis zu 600 Lebensmittel
mit Nanozusätzen auf dem Markt. Weil es aber keine
Kennzeichnungspflicht gibt, weiß man nicht, in welchen Produkten
Nanomaterialien enthalten sind. Selbst die zuständigen Behörden haben
keine ausreichenden Informationen darüber. Und die Verbraucher haben
kaum Chancen, die Aufnahme von Nanopartikeln über die Lebensmittel zu
vermeiden."
Nanomaterialien sind z. B. in verschiedenen Ketchups, Gemüsebrühe
oder in Puderzucker enthalten, um deren Fließ- und
Rieseleigenschaften zu verbessern. In Nanogröße verkapselte
Geschmacks-, Farb- und Konservierungsstoffe werden bei der
Wurstherstellung eingesetzt, in Nanokapseln eingeschlossene
Mineralstoffe und Vitamine sollen den Nährwert von Backwaren und
Erfrischungsgetränken steigern. Zunehmend kommen außerdem
Frischhalteboxen und Kühlschränke mit antibakteriell wirkenden
Nano-Silberionen auf den Markt. Nanomaterialien halten auch Einzug in
die Landwirtschaft: Über die Anwendung in Düngern und Pestiziden
können sie in die produzierten Lebensmittel und in die Umwelt
gelangen.
Patricia Cameron, BUND-Expertin für Chemikalienpolitik und
Nanotechnologie: "Die mithilfe der Nanotechnologie erzeugten neuen
Stoffeigenschaften werden im Lebensmittelbereich bei immer mehr
Produkten genutzt. Die möglichen Gefahren sind jedoch kaum
untersucht. Der Gesetzgeber sieht bisher keinen Handlungsbedarf. Das
Vorsorgeprinzip muss aber für alle Technologien gelten: Wenn wir
nicht wissen, wie groß die Gefahren sind, müssen solche Anwendungen
untersagt und zuerst die Risiken umfassend untersucht werden."
Die Bundesregierung müsse den Verkauf von Lebensmitteln,
Verpackungen, Küchenartikeln und Agrochemikalien, die Nanomaterialien
enthalten, sofort stoppen. Solche Produkte dürften nicht vermarktet
werden, solange keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege über
eine Unbedenklichkeit vorlägen. Erforderlich seien zudem gesetzliche
Regelungen, die Verbraucher und Umwelt vor möglichen Risiken
schützen. Dazu gehöre auch eine Kennzeichnungspflicht beim Einsatz
von Nanomaterialien, damit Verbraucherinnen und Verbraucher sich
entscheiden könnten, ob sie Nanoprodukte kaufen wollten oder nicht.