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Gefährliches Thiacloprid im Honig: Vom Markt genommene Schädlingsbekämpfungsmittel weiter erhältlich

Archivmeldung vom 02.05.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.05.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: motograf  / pixelio.de
Bild: motograf / pixelio.de

In immer mehr Honigproben ist das Nervengift Thiacloprid nachzuweisen. Bestimmte Konzentrate mit dem Wirkstoff aus der Schädlingsbekämpfung dürfen an Kleingärtner inzwischen nicht mehr abgegeben werden. Doch Stichprobenkäufe im Internet ergaben das Gegenteil. Auch in der Landwirtschaft wird es weiter massiv eingesetzt - und der Grenzwert für Thiacloprid im Honig könnte sogar demnächst wieder heraufgesetzt werden. Das haben Recherchen des Verbrauchermagazins "Markt" im NDR Fernsehen ergeben.

Sowohl in der deutschen Landwirtschaft, als auch in privaten Kleingärten wird seit Jahren mit Thiacloprid, das zur Klasse der Neonicotinoide zählt, gegen saugende und beißende Insekten gespritzt. Doch die Bedenken europäischer Wissenschaftler wachsen, dass dies auch wichtige Blüten-Bestäuber wie Honigbienen, Wildbienen und Hummeln schädigt. Der anerkannte Neurobiologe Prof. Randolf Menzel, der zahlreiche Versuche mit Honigbienen durchgeführt hat, zu "Markt": "Schon in niedrigen Dosen wird ganz massiv das Verhalten verändert."

Auch im Honig, einem als besonders gesund geltenden Lebensmittel, kommt der Wirkstoff Thiacloprid inzwischen immer häufiger vor. Untersuchungen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit haben ergeben, dass in zahlreichen Honigproben nachweisbare Mengen des Schädlingsbekämpfungsmittels enthalten waren. Im Jahr 2015 waren von 237 Honigproben schon 73 mit Thiacloprid belastet.

Schädlingsbekämpfungsmittel für private Anwender, die z. B. neun Gramm pro Liter Thiacloprid enthalten und für die der Hersteller Bayer CropScience AG aus Monheim die Zulassung in Deutschland zum 21. August 2015 zurückgerufen hat, dürfen seit dem 21. Februar 2016 nicht mehr angeboten und verkauft werden. Die Bayer CropScience AG sagte "Markt" dazu: "Bayer hat im Anfang des Jahres 2015 die strategische Geschäftsentscheidung getroffen, den Vertrieb seiner Endverbraucherprodukte auf Basis von Thiacloprid einzustellen und deutsche Händler ab Mitte Mai 2015 nicht mehr mit den entsprechenden Produkten zu beliefern."

"Markt"-Reportern gelang es jedoch in mehreren Fällen, nicht mehr zugelassene Konzentrate noch nach dem 21. Februar 2016 im Internet problemlos zu erwerben. Eine Online-Händlerin, die Markt belieferte, sagte dazu, dass weder sie noch ihr Großhändler über den Widerruf der Zulassung informiert worden seien. Der Hersteller hält dagegen: "Bayer hat im Jahr 2015 Händler frühzeitig über den geplanten Verkaufsstopp informiert und eng mit ihnen und den zuständigen Behörden zusammen gearbeitet." In der Praxis scheint sich das noch nicht ausreichend herumgesprochen zu haben.

"Markt" erfuhr auch: Der Grenzwert für Thiacloprid im Honig in der Europäischen Union könnte sogar wieder von 0,05 mg/ kg Honig auf 0,2 mg/ kg Honig angehoben werden. Grundlage ist eine Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vom 1. März 2016, die zu dem Ergebnis kam, dass dieser Wert gesundheitlich unbedenklich sei. Die Bayer CropScience AG hatte sich für eine Heraufsetzung des Grenzwertes stark gemacht, wie ein "Markt" vorliegendes Informationsschreiben an den Handel zeigt. Bayer sagt dazu: "Bayer geht davon aus, dass die Absenkung des MRL (Maximum Residue Level = Rückstands-Höchstmengenwert, Anm.d. Red.) für Thiacloprid im Honig durch die EU-Kommission versehentlich erfolgte. (...) Wie EFSA ist auch Bayer davon überzeugt, dass der ursprüngliche MRL-Wert von 0,2 mg/kg für Verbraucher sicher ist und dass dieser Honig bedenkenlos verkauft werden kann."

Laut einer Einschätzung der Europäischen Chemikalienagentur ECHA kann das Mittel jedoch die Fortpflanzung des Menschen beeinträchtigen. Laut Sicherheitsdatenblatt des Herstellers selbst steht es zudem im Verdacht, krebserzeugende Wirkung beim Menschen zu haben.

Mancher Kleingärtner, der gutgläubig ein thiaclopridhaltiges Schädlingsbekämpfungsmittel mit der Kennzeichnung " nicht bienengefährlich" erworben und arglos auf die eigenen Obstbäume gesprüht hat, kann sich angesichts dieser Umstände nur ärgern - oder wundern. Der BUND konnte sich im Jahr 2015 gegen die Bayer AG in einem Prozess durchsetzen, in dem es um die Zulässigkeit seiner Bewertung der Kennzeichnung "nicht bienengefährlich" als "Verbrauchertäuschung" ging. Der BUND darf nun nach einem Urteil des Düsseldorfer Landgerichtes weiter behaupten, zwei von Bayer hergestellte Produkte mit dem Wirkstoff Thiacloprid seien schädlich für Bienen. Bayer verzichtete darauf, gegen dieses Urteil Berufung einzulegen. Die Bayer CropScience AG zu "Markt: "Wir halten die Aussage des BUND nach wie vor für inhaltlich unzutreffend." Denn Bayer sieht in Thiacloprid weiter einen "wichtigen Baustein eines abgestimmten Resistenzmanagements in der Schädlingsbekämpfung".

Jean-Marc Bonmatin, ein französischer Forscher, der an einer Meta-Studie mitgearbeitet hat, für die rund 800 Einzelstudien der letzten zwei Jahrzehnte zum Thema Neonicotinoide ausgewertet wurden, bewertet das anders: "Die Beweise sind eindeutig. Wir sind Zeuge einer Bedrohung der Produktivität unserer natürlichen und landwirtschaftlichen Umwelt, vergleichbar mit der Gefahr durch DDT".

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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