Sportwissenschaftliche Studie belegt: Wii Fit eignet sich zum Gleichgewichtstraining
Archivmeldung vom 01.07.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittImmer im Gleichgewicht bleiben – das ist nicht nur für Seiltänzer lebenswichtig. Wir alle weisen nur dank unseres Gleichgewichtssinns eine exakte Bewegungskoordination auf. Und je genauer unsere Bewegungskoordination, desto besser sind wir vor Stürzen und Verletzungen geschützt.
Den Gleichgewichtssinn zu fördern, darauf zielt auch das Trainingsprogramm Wii Fit von Nintendo ab, weshalb es neben einer Reihe sportlicher Übungen auch unterhaltsame Balancespiele beinhaltet. Sportwissenschaftler der Universität Freiburg haben die Wirkung dieser Spiele nun genauer untersucht. Ein Team um Prof. Dr. Albert Gollhofer vom Institut für Sport und Sportwissenschaft hat sie mit der anerkannten Methode des Sensomotorischen Trainings (SMT) verglichen. Das Ergebnis: Wii Fit eignet sich als Alternative zum SMT, insbesondere für ältere und untrainierte Menschen.
„Durch ein Training mit den Balancespielen des Wii Fit-Programms können ähnliche Verbesserungen der Standstabilität und der Haltungskontrolle erreicht werden wie durch ein Sensomotorisches Training“, erklärt Prof. Gollhofer. Die Haltungs- oder posturale Kontrolle erfordert ein komplexes Zusammenspiel des zentralen Nervensystems mit dem Muskel- und Sehnenapparat. Nur dadurch können wir unseren Körper – ob im Ruhezustand oder in der Bewegung – automatisch ausbalancieren und eine aufrechte Position einnehmen. Die Standstabilität lässt sich anhand des Ausmaßes der Schwankungsbewegungen bemessen, die unser Körper ausführen muss, um seine Position zu stabilisieren.
Haltungskontrolle und Standstabilität lassen sich durch gezieltes Gleichgewichtstraining verbessern. Sportler nutzen solche Trainingsmethoden beispielsweise, um der Verletzungsgefahr vorzubeugen. Sie werden aber auch in der Rehabilitation nach Verletzungen eingesetzt. Das Sensomotorische Training zielt auf eine verbesserte Tiefensensibilität in Verbindung mit einer verbesserten Regulation der Haltungskontrolle ab. Nach dem Training ist man beispielsweise in der Lage, Schwankungen, die das propriozeptive System (spezielle Rezeptoren in der Muskulatur, den Sehnen, den Gelenkkapseln und der Haut)ans Gehirn meldet, durch ausgleichende Bewegungen der Beinmuskulatur besser zu kompensieren. Da die positive Wirkung des SMT durch zahlreiche Studien belegt ist, bietet es sich für einen aussagekräftigen Vergleichstest mit den Balancespielen von Wii Fit an. Augenscheinlichster Unterschied zwischen beiden Methoden: Während die Wii Fit-Spieler auf einer stabilen Fläche, dem Balance Board, stehen, kommen beim SMT bewegliche Unterstützungsflächen zum Einsatz, etwa Therapiekreisel oder Wackelbretter.
An der Studie der Freiburger Sportwissenschaftler beteiligten sich 29 untrainierte Testpersonen, etwa gleich viele Männer und Frauen zwischen 25 und 50 Jahren. Sie bildeten zwei Gruppen, von denen eine mit Hilfe des Balance Boards übte, während die andere SMT praktizierte. Jeder Proband trainierte sechs Wochen lang dreimal wöchentlich für 45 Minuten. Vor Beginn und nach Beendigung des Testzeitraums wurden ihre Leistungen festgestellt und miteinander verglichen. Dazu mussten die Testpersonen auf einer frei aufgehängten, beweglichen Standplatte 40 Sekunden lang auf einem Bein balancieren. Gemessen wurde der sogenannte Schwankweg, also das Ausmaß ihrer Ausgleichsbewegungen zur Erlangung des Gleichgewichts.
Die Abschlusstests zeigten, dass beide Gruppen ihre Standstabilität signifikant und in etwa gleichem Maße verbessern konnten. So verringerte sich im 40-Sekunden-Test der durchschnittliche Schwankweg in Vorwärts-Rückwärts-Richtung bei der der Wii Fit-Gruppe um 31,5 Prozent und bei der SMT-Gruppe um 30,2 Prozent. Bei Seitwärts-Schwankungen verbesserte sich die Wii Fit-Gruppe um 43,4 Prozent und die SMT-Gruppe um 46,5 Prozent.
In einem weiteren Test wurde das Gleichgewicht der Testpersonen unvorhergesehen gestört, indem die Standplatte von außen in Schwingung versetzt wurde. Auch dabei fanden alle Testpersonen nach Abschluss des 6-wöchigen Trainings merklich schneller zu einer stabilen Haltung zurück. Allerdings gelang den Mitgliedern der SMT-Gruppe das Ausbalancieren nach unvorhergesehenen Störreizen etwas besser als den Wii Fit-Spielern. Die Studie führt dies darauf zurück, dass diese Gruppe bereits beim Training bewegliche Standflächen nutzte.
Innerhalb der Wii Fit-Gruppe schnitten die Frauen besser ab als die Männer. Auch Störreize kompensierten sie gekonnter als die männlichen Probanden. Die Wissenschaftler erklären dies mit der höheren Motivation aber auch mit dem besonderen Trainingsverhalten der weiblichen Testpersonen: Sie wechselten häufiger ihre Position auf dem Balance Board, indem sie sich mal auf die ganze Fußfläche, mal nur auf die Zehenspitzen stellten.
Abschließend stellte Prof. Gollhofer fest: „Das Training auf dem Balance Board kann als ‚low dose’-SMT bezeichnet werden. Als Trainingsprogramm eignet sich Wii Fit daher besonders für Menschen, die aufgrund mangelnder Fitness oder fortgeschrittenen Alters ein niedrig dosiertes Gleichgewichtstraining als Einstieg benötigen.“
Dies scheint umso bemerkenswerter, da Nintendo Wii Fit – wie seine gesamte Software - nicht zu Therapiezwecken entwickelt hat, sondern als Spiel, das vor allem Spaß bereiten soll. Gerade darin aber sehen die Freiburger Wissenschaftler eine besondere Stärke. „Wii Fit zeichnet sich aufgrund seines spielerischen Charakters durch einen hohen Motivationsfaktor aus“, so Prof. Gollhofer. „Somit kann es einen wichtigen Beitrag zur Gleichgewichtskontrolle als Grundlage verschiedener sportlicher Aktivitäten, aber auch zur Alltagsbewältigung z.B. zur Sturzprophylaxe leisten.“
Quelle: Nintendo Deutschland