Industrie zahlt für "unabhängiges" Gütesiegel
Archivmeldung vom 20.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTechnologie-Preise und Gütesiegel sind hilfreich für Verbraucher. Sie können Orientierung im oft unüberschaubaren Produktmeer geben. Das versprechen auch die Macher des "Plus X Awards": "Glaubwürdige Einkaufsargumente" will man den Endkunden mit den Plus-X-Siegeln liefern. Eine 19-köpfige Jury aus Fachjournalisten und Vertretern des Handels soll "vollkommen unabhängig" die Urteile fällen.
Aber: Die Hersteller zahlen für die Gütesiegel, viele
Auszeichnungen sind sachlich nicht zu begründen, und es werden
Produkte prämiert, die es gar nicht gibt. Das berichtet die
Zeitschrift COMPUTERBILD in ihrer aktuellen Ausgabe (Heft 18/2007, ab
Montag im Handel). Schirmherr der Veranstaltung 2007: der
nordrhein-westfälische Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP).
Jede Nominierung für einen Plus X Award kostete dieses Jahr 464
Euro inklusive Mehrwertsteuer. Weitere 3082 Euro wurden für jedes
ausgezeichnete Produkt fällig. So bekam von über 700 eingereichten
Produkten etwa jedes dritte ein Gütesiegel. Viele Branchengrößen wie
Medion, Panasonic, Philips, Samsung und Sony waren dabei. Wer
prämierte Produkte bei der Internationalen Funkausstellung (IFA) in
der eigens eingerichteten "Hall of Fame" präsentieren möchte, zahlt
noch mal.
Laut Plus-X-Teilnahmebedingungen ist es nicht Pflicht, sondern nur
"ausdrücklich empfohlen", nominierte Geräte zur Bewertung
einzuschicken. Trotzdem vergab die Jury Bedienkomfort-Gütesiegel für
Produkte, die es bis heute nicht gibt oder die nur als Prototypen
vorhanden waren. Auch drei Kameraobjektive - alle vom gleichen
Hersteller - wurden für ihren "Bedienkomfort" ausgezeichnet. Dabei
sind deren Einstellringe nicht handlicher als die von
Konkurrenzprodukten. Ein Plasma-Fernseher bekam das
"Ökologie"-Siegel, obwohl er ausgeschaltet Strom verbraucht.
COMPUTERBILD stellte unter anderem dem Veranstalter, fast allen Jury-Mitgliedern und dem NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart detaillierte Fragen zu den Vorgängen. Nur der Jury-Vorsitzende und einer der beiden Agentur-Chefs antworteten - allerdings ausweichend. Das Ministerium gab auch nach mehrfacher Nachfrage keine Stellungnahme ab, der Pressesprecher ließ gar nichts von sich hören.
Quelle: Pressemitteilung Computerbild