Fliegenhirn revolutioniert die Bildverarbeitung
Archivmeldung vom 12.07.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas Fliegen bei ihren rasanten Flügen leisten, schafft noch kein Computer der Welt. Sie verarbeiten in Echtzeit auf kleinstem Raum eine riesige Bilderflut und entkommen erst dadurch ihren Verfolgern. Wie sie so blitzschnell wahrnehmen und reagieren, konnte auf Ebene einzelner Nervenzellen bisher nicht gemessen werden. Forscher vom Max-Planck-Instituts für Neurobiologie schließen nun diese Lücke. In der Zeitschrift "Nature Neuroscience" zeigen sie eine Untersuchungsmethode, von der auch die Computerentwicklung und Robotik profitieren sollen.
Die Herausforderung besteht darin, dass die Fliege ihr Bewegungssehen nur in einem sehr kleinen Raum im Gehirn verarbeitet. Auf weniger als einem Sechstel Kubikmillimeter Gehirn verfügt sie hier über 100.000 Nervenzellen, die jeweils mehrfach mit ihren Nachbarzellen verbunden sind. Die Zellen und ihre Verbindungen sind viel zu klein, als dass man sie mit feinen Elektroden einzeln beobachten könnte.
Die Martinsrieder Neurobiologen nutzten für diese Aufgabe nun neue
genetische Ansätze. Sie markierten einzelne Nervenzellen mit Molekülen,
die im Aktivzustand ihre Fluoreszenz verändern. Zeigte man den Fliegen
auf einem Leuchtdioden-Bildschirm Streifenmuster, die sich bewegten, so
reagierte das Indikatormolekül auf die aktiven Nervenzellen im
Leuchtverhalten. Ein zwei-Photonen-Lasermikroskop machte dies sichtbar
und trennte dabei die geringe Lichtmenge vom einfallenden LED-Licht.
Roboter der Zukunft mit Fliegenaugen
Zelle für Zelle untersuchen die Wissenschaftler nun das Fliegenhirn mit dieser Methode. Neue Einblicke erhielten sie dadurch bereits etwa in der Hell-Dunkel-Wahrnehmung der Fotorezeptoren. Das Ergebnis wird sich nicht auf einen Beitrag zur Grundlagenforschung beschränken: Die Forschung verläuft in enger Zusammenarbeit mit Robotik-Entwicklern.
"Die Evolution hat es innerhalb von hunderten Mio. Jahren geschafft, dass die Fliege mit relativ wenig Neuronen Bilder mit einer Geschwindigkeit überträgt, bei der ungleich viel größere Kameras nur ein Rauschen wahrnehmen. Auf lange Sicht ist zu hoffen, dass wir auf Grundlage neuer Erkenntnisse eine robuste, effiziente Hardware für visuelle Bewegungsdetektoren entwickeln", erklärt Studienleiter Dierk F. Reiff gegenüber pressetext.
Quelle: pressetext.deutschland Johannes Pernsteiner