Flohmarkt im Internet
Archivmeldung vom 06.09.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakLängst schon ist auch der klassische Flohmarkt ins Internet abgewandert. Nach ebay versucht nun eine neue Plattform erfolgreich durchzustarten:"Freecycle". Der Clou: Alles bleibt kostenlos und ehrenamtlich, keiner verdient etwas
Ein Krautfass mit Hobel und Stampfer, zwei Kilo Schokolade von Überraschungseiern, ein Klavier von 1902 und ein altes Auto für einen TV-Stunt - all das hat bei "Freecycle" schon erfolgreich den Besitzer gewechselt.
Über Online-Plattformen wie eBAY werden gebrauchte Artikel verkauft und gehandelt. Im Direktvergleich zu dem weltweit agierenden Internet-Auktionskaufhaus ist "Freecycle" so etwas wie das virtuelle Pendant zum Schwarzen Brett am lokalen Supermarkt - mit zwei entscheidenden Unterschieden: Bei "Freecycle" wird nicht rund um den Globus, sondern ausschließlich im näheren Umkreis gehandelt. Und: Sämtliche angebotenen Sachen werden ausnahmslos verschenkt und selbst abgeholt.
Einfache Teilnahme am Portal
Und so geht's: Über die Internet-Suchmaschine Yahoo meldet man sich bei der nächstgelegenen "Freecycle"-Newsgroup an. Erfolgreich in der Runde aufgenommen, schreibt man ein E-Mail mit dem Betreff "Biete" oder "Suche" und einer kurzen Beschreibung, um die es geht. Diese Nachricht landet automatisch bei allen angeschlossenen Mitgliedern im Posteingang ihres Mailprogramms. Wer sich angesprochen fühlt, nimmt mit dem Absender direkt Kontakt auf.
Verschickt werden ausschließlich Texte - keine Fotos. Wer chatten will, diskutieren möchte oder neue Freunde sucht, ist hier ebenso falsch wie die Anbieter von Waffen, Pornos und Nazikrempel. Auch die Vermittlung von Arbeit, Wohnungen oder sexuellen Gefälligkeiten haben bei "Freecycle" keinen Platz - und das war's auch schon an Regeln. Wie in jeder verantwortungsvollen Internetgemeinschaft, so wachen auch bei "Freecycle" Moderatoren über deren Einhaltung, kicken Störer aus der Gemeinde und sorgen dafür, dass die lästigen Nebenerscheinungen des Internets wie Spam, Werbung aller Art und überhaupt alles, was nichts mit der Idee "Schenken und beschenkt werden" zu tun hat, die Freecycler nicht belästigen.
Mehr als fünf Millionen User
Je größer die Ortsgruppe, umso reichhaltiger das Angebot. Und es werden immer mehr. Deron Beal, Mitglied einer Hilfsorganisation in Tucson/Arizona, richtete am 1. Mai 2003 eine Newsgroup bei Yahoo ein, die helfen sollte, Dinge, die in der eigenen Wohnung überflüssig geworden sind, einem anderen Haushalt zukommen zu lassen, der damit etwas anfangen kann. Seither sind weltweit bereits über fünf Millionen Menschen in 4500 Gruppen organisiert -vor allem in Großstädten.
Nach Deutschland importierte die Idee der Frankfurter Thomas Pradel im April 2004. Inzwischen gibt es allein im Bundesgebiet 75 Gruppen mit rund 10.000 Mitgliedern. So sehr das Internet die Welt auch zusammenschrumpfen lässt - interessant ist bei "Freecycle" nur das lokale Netzwerk, sprich: Die Menschen in der unmittelbaren Umgebung. Denn keiner wird nach New York fahren, um einen alten Küchentisch abzuholen - und selbst wenn, wäre das völlig unökonomisch.
Zur Philosophie der sich selbst als "echte weltweite Bürgerinitiative" verstehenden Gemeinschaft zählt auch der Grundsatz, unnütze Weg zu vermeiden. So gesehen sieht sich die virtuelle Geschenkgemeinschaft auch als ein Beitrag zum aktiven Umweltschutz und als offenes Statement gegen die Wegwerfgesellschaft.
Verschwendung vermeiden und die Dinge länger nutzen, Ressourcenschutz betreiben, sich in Sparsamkeit üben, eine echte Notlage überbrücken oder einfach nur mit einem Geschenk eine gute Tat tun - die Motive und Motivationen, "Freecycle" zu nutzen, sind so vielseitig wie ihre Nutzer beziehungsweise die Gesellschaft an sich .