Reporter ohne Grenzen kritisiert Googles Selbstzensur in China
Archivmeldung vom 26.01.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.01.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReporter ohne Grenzen hat die jüngsten Pläne von Google, eine zensierte Version der Suchmaschine in China einzuführen, scharf verurteilt. Nutzer der neuen Seite 'google.cn' werden nur auf Material zugreifen können, das von der chinesischen Regierung freigegeben ist.
Unabhängige Informationen zu Themen wie Demokratie,
Menschenrechte oder Tibet wird die größte Suchmaschine der Welt in
China nicht listen. Damit dürften auch kritische Seiten, die bislang
in China nicht gesperrt sind, kaum noch zu finden sein.
"Die Einführung von 'google.cn' ist ein schwarzer Tag für die
Meinungsfreiheit in China," lautet das Urteil der weltweiten
Organisation für Pressefreiheit. "Das Unternehmen verteidigt die
Rechte der US-amerikanischen Internetnutzer. Aber es versagt, wenn es
darum geht, die Interessen der chinesischen Internetnutzer zu
wahren."
Wie seine Mitbewerber auf dem chinesischen Markt, Yahoo und
Microsoft MSN, beruft sich Google darauf, keine andere Wahl zu haben
und das chinesische Gesetz respektieren zu müssen. "Dieses Argument
ist jedoch nicht gültig, wenn es um das Menschenrecht auf freien
Informationszugang geht. Auch in einem diktatorischen Staat darf
dieses Recht nicht als nebensächlich betrachtet werden", so Reporter
ohne Grenzen (ROG). "Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht, das in der
allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in der chinesischen
Verfassung verankert ist."
Die in Kalifornien ansässige Internetfirma Google gab heute
bekannt, dass bald in China 'google.cn' online gehen werde, um das
Angebot für chinesische Kunden zu verbessern. Das Unternehmen gab zu,
die Suchmaschine nach Vorgaben der chinesischen Regierung zu
zensieren. Dies sei zwar gegen die Prinzipien des Unternehmens, aber
immer noch besser als kein Angebot.
"US-amerikanische Unternehmen verbiegen sich unter den gleichen
Zensurregelungen wie ihre chinesischen Mitbewerber, aber sie
rechtfertigen dies weiterhin damit, dass ihre Anwesenheit einen
langfristigen Nutzen haben werde", sagt ROG. "Dennoch wird das
Internet in China zunehmend von der Außenwelt abgeschottet und die
Meinungsfreiheit nimmt rapide ab. Die pathetischen Prophezeiungen
über ein freies und grenzenloses Internet sollen über die
inakzeptablen moralischen Fehler der Firmen hinwegtäuschen."
Bisher hatte Google nur seine Nachrichtenseite 'google news' in
China zensiert, jedoch nicht die allgemeine Suchmaschine
www.google.com/intl/zh-CN, die ihren Sitz in den USA hat. Damit war
Google der letzte der großen internationalen Anbieter ohne Zensur in
China. Yahoo etwa arbeitet mit den chinesischen Zensoren bereits seit
über drei Jahren zusammen.
Seit Juli 2004 beteiligt Google sich an der chinesischen Firma
'Baidu', die eine streng zensierte Suchmaschine anbietet. Kurz darauf
durfte Google unter Auflagen ein Büro in China eröffnen. Reporter
ohne Grenzen schrieb im Mai 2005 an die Gründer von Google, Larry
Page und Sergey Brin, um sich nach ihren Plänen für eine zensierte
Suchmaschine in China zu erkundigen und um große Bedenken zur
Unternehmensstrategie zu äußern. Eine offizielle Antwort bleib bisher
aus.
Quelle: Pressemitteilung Reporter ohne Grenzen