Der "Bundestrojaner" ist eine Wanze
Archivmeldung vom 03.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAlle streiten über die Online-Durchsuchung privater PCs, doch niemand weiß, wie sie funktionieren soll. Nun endlich wurde der so genannte Bundestrojaner enttarnt: Das Technikmagazin CHIP beschreibt in seiner aktuellen Ausgabe, mit welchen Mitteln das Bundeskriminalamt (BKA) Computer verdächtiger Personen ausspähen will.
Demnach wird die
Schnüffel-Software in aller Regel durch den physikalischen Zugriff
auf den Ziel-PC installiert - BKA-Experten müssen also in die
Wohnungen Verdächtiger eindringen. Der Autor des Exklusivberichts
beruft sich auf BKA-Präsident Jörg Ziercke und weitere Quellen der
Wiesbadener Polizeibehörde.
Außer von Ziercke erhielt CHIP Informationen vom IT-Chef des BKA
und einem der Entwickler jener ominösen Software, die der deutschen
Öffentlichkeit seit Monaten Rätsel aufgibt. Dieses Programm nennt
sich "Remote Forensic Software" (RFS) und ist mit dem kursierenden
Fachbegriff "Trojaner" eigentlich falsch beschrieben: Dem Artikel
zufolge wird das Tool nur in Ausnahmefällen per Online-Übertragung
auf den Zielrechner gespielt; die Erfolgsaussichten dieser Methode
seien einfach zu schlecht. Vielmehr verfolge das BKA individuelle
Strategien, um so genannte Gefährder auszuspähen. Am Anfang jeder
Maßnahme stünden "Umfeld-Analysen" - gemeint sei der Einsatz von
V-Leuten, die sich der Zielperson bereits lange vor einer
PC-Durchsuchung widmeten.
Beim später folgenden Angriff auf den PC bevorzuge die Behörde
"robustes Agenten-Handwerk", heißt es in dem CHIP-Artikel weiter:
"Ein BKA-Team dringt heimlich in die Wohnung ein und zieht Kopien von
allen Festplatten. Diese Daten analysiert dann der
BKA-Software-Entwickler und bastelt ein Tool, das perfekt auf die
Rechner-Umgebung zugeschnitten ist." Das modular aufgebaute Programm
finde seinen Weg in den Ziel-PC ebenfalls auf, so CHIP, "eher analoge
Weise: Spezialisten machen die Wohnung noch einmal auf und
installieren das Tool. Das Programm gleicht also eher einer
Überwachungswanze als einem Trojaner."
Durch das Eindringen in die Wohnung sei es dem BKA möglich, fast
alle technischen Probleme zu überwinden: "Zwei Beispiele: Damit die
Firewall nicht Alarm schlägt, wenn RFS Daten zum BKA sendet, könnten
die 'Wohnungsöffner' die Sicherheits-Software so einstellen, dass sie
Aktivitäten des Schnüffel-Tools immer zulässt. Veschlüsselt ein
angeblicher Gefährder seine Daten an einem Offline-PC, bevor er sie
über einen Internet-Rechner rausschickt, könnte das Tool den
Verschlüsselungscode per Keylogging abgreifen. Das heißt, die
Tastatureingaben würden aufgezeichnet und an die betreffende Datei
angehängt. Gleiches gilt für Passwörter - das BKA bekäme alle
Zugangsdaten frei Haus geliefert."
Laut CHIP hat Ziercke auch deutlich gemacht, dass es keine
"staatlich verordneten Sicherheitslücken" geben werde. Das BKA
unternehme keinerlei Versuche, Hersteller von Sicherheitssoftware
oder Betriebssystemen zu einer Zusammenarbeit zu bewegen.
Entsprechenden Spekulationen in der Öffentlichkeit dürfte durch den
angestrebten physikalischen Zugriff auf den PC ohnehin die Grundlage
entzogen sein.
Das Technikmagazin kann dem enormen Aufwand, den das BKA betreiben muss, Positives abgewinnen - ein breit angelegter digitaler Angriff auf die Bevölkerung sei schlicht nicht zu bewältigen. BKA-Chef Ziercke schätzt dem Artikel zufolge, dass die Zahl der Fälle, in denen ein RFS-Einsatz in Frage käme, derzeit im einstelligen Bereich liege. Gleichwohl warnt CHIP vor einem Gesetz, das die PC-Durchsuchung sanktioniert: "Zwar birgt die PC-Wanze derzeit kein Potential zur Massenüberwachung. Was aber, wenn der technische Fortschritt einen Online-Zugriff auf jeden beliebigen PC ermöglicht? Dann wäre ein Orwell-Szenario denkbar - gedeckt von einem Gesetz, das unter anderen Voraussetzungen entstanden ist."
Quelle: Pressemitteilung CHIP