Signalverarbeitung mit Lichtfrequenzen
Archivmeldung vom 13.03.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtLicht könnte die heutige Elektronik um das 100.000fache beschleunigen. Diese Vision beschreiben Prof. Ferenc Krausz vom Labor für Attosekundenphysik (LAP) am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und sein Kollege Prof. Mark Stockman von der Georgia State University (GSU) in Atlanta in einem Übersichtsartikel im Fachmagazin Nature Photonics (14. März 2014).
In ihrem Szenario verwendet man die elektrischen Felder von Laser-Lichtwellen um den Fluss von Elektronen in Halbleitermaterialien zu kontrollieren. Das würde bedeuten, dass man künftig elektronische Schaltkreise mit Lichtfrequenzen schalten könnte. Sichtbares Licht schwingt rund eine Million Milliarden Mal pro Sekunde. Ebenso schnell könnte die Signalverarbeitung werden. Da sowohl Elektronen als auch Licht Träger von Daten sind, könnte innovative optoelektronische Technologien die Geschwindigkeit der Informationsübermittlung erheblich beschleunigen. Das würde eine neue Ära in der Informationstechnologie einläuten. Die Autoren erläutern in ihrem Artikel die neuen Techniken der Attosekundenphysik, die wahrscheinlich eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der lichtgesteuerten Signalverarbeitung einnehmen.
Licht könnte der Strom- und Datenschalter der Zukunft sein. Der Gedanke liegt nahe, denn die elektromagnetischen Felder des Lichts beeinflussen Elektronen. Elektronen sind der Stoff aus dem unser Strom besteht. Sie sind auch Träger von Daten und damit für die Informationstechnologie essentiell. Könnte man die Elektronen mit Licht kontrollieren, würde das eine neue Ära in der Technik einläuten: die Lichtwellen-gesteuerte Elektronik. Mit ihr wären rund eine Million Milliarden Schaltvorgänge pro Sekunde denkbar. Denn etwa so oft schwingt eine Lichtwelle in einer Sekunde.
Voraussetzung, dass ein Strom- und Datenschalter aus Licht eines Tages Realität wird, ist eine perfekte Kontrolle über Lichtwellen, beschreiben Ferenc Krausz und sein Kollege. der amerikanische Festkörperphysiker Mark Stockman, ihre Gedanken und Visionen in Nature Photonics. Die Grundlage für diese Überlegungen bilden erste theoretische und experimentelle Untersuchungen, die gezeigt haben, dass das oszillierende elektrische Feld des Lichts elektrische Ströme kontrollieren kann (Nature, doi:10.1038/nature11567). Diese Kontrolle bildet die technische Grundlage für die Attosekundenphysik, die erstmal die Echtzeitbeobachtung von atomaren Elektronenbewegungen mittels Attosekunden-langen Lichtblitzen ermöglicht hat. Eine Attosekunde dauert ein Milliardstel einer milliardstel Sekunde. Solche Attosekunden-Lichtblitze lassen sich nur wunschgemäß formen, wenn man die Lichtwellen der zu ihrer Produktion notwendigen Laserpulse perfekt steuern kann. Krausz und Stockmann beschreiben in ihrem Artikel die Techniken, die dies erlaubten. Eine ausführlichere Geschichte der Attosekundenphysik ist in englischer Sprache auf der Homepage des Labors für Attosekundenphysik (http://www.attoworld.de/Mainpages/Attoworld/index.html#279) beschrieben.
Über eine erste Nutzung von Licht als Stromschalter berichtet ein Forscherteam um Prof. Krausz, Mark Stockman und Vadym Apalkov (GSU) in der gleichen Ausgabe von Nature Photonics. Der Strom, den das elektrische Feld eines ultrakurzen Lichtpulses in einem Isolator (Siliziumoxid) generiert, liefert direkte Information über die Wellenform des Lichtpulses (Nature Photonics, 14. März 2013, doi:10.1038/nphoton.2013.348). Dies ist ein erster Schritt in Richtung eines Detektors, der Lichtwellen sichtbar macht, ähnlich wie Oszillographen Mikrowellen darstellen. Die Attosekundenphysik ist somit auf dem Weg, die Festkörper-Elektronik zumindest für die Messtechnik bis zu Lichtfrequenzen zu beschleunigen. Ob sich auch die Signalverarbeitung ähnlich beschleunigen lassen wird, ist heute noch völlig offen. „Unsere Vision ist ein Chip, mit dessen Hilfe wir Strom mit dem elektrischen Feld von Licht schalten können. Das würde bedeuten, dass man die heutige digitale Signalverarbeitung um den Faktor 100.000 beschleunigt. Schneller geht es nicht mehr“, erklärt Ferenc Krausz. Noch sind die Experimente Grundlagenforschung. Doch mit ihren Erkenntnissen haben die Wissenschaftler die Grenzen der heutigen Elektronik und Photonik ein Stück aufgeweicht. Der Weg hin zu einer lichtbasierten und damit weitaus schnelleren und leistungsfähigeren Elektronik scheint geebnet. Thorsten Naeser
Quelle: Max-Planck-Institut für Quantenoptik