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Verleger fürchten Hochglanz-Raubkopien

Archivmeldung vom 22.08.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.08.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Seit es Scanner, Foren und P2P-Börsen gibt, werden auch Magazine und Bücher als Raubkopien verbreitet. Besonders populär war das nie: Verleger-Sorgen schienen hysterisch, denn kaum jemand nutzte solche Möglichkeiten. Jetzt zeigt eine Web-Seite, wie man Verlage professionell beklaut.

Der Chor der Geschädigten hat Zuwachs bekommen: Nach der Musik- und der Filmindustrie hat nun die Verlagsbranche mehr Grund, sich vor den Nebenwirkungen von digitaler Revolution und Internet zu fürchten. Die Web-Seite Mygazines demonstriert seit Ende Juli, dass sich auch bei Hochglanzmagazinen eine digitale Raubkopien-Verbreitung per Internet ganz prächtig regeln lässt - und wie man diese Kopien wirklich leidlich bequem am Bildschirm lesbar macht.

 

Natürlich ist für die Verlage das Thema Kopie nicht wirklich neu. Schon Jahre, bevor der P2P-Prototyp Napster begann, die Musikbranche aus den Angeln zu heben, gab es auch in Deutschland Foren, über die eingescannte Ausgaben aktueller Magazine verbreitet wurden. Später gab es kaum eine P2P-Börse, die neben Musik, Spiel und Film nicht auch Gedrucktes anzubieten hatte.

Die Nachfrage hielt sich wie das Angebot in Grenzen: Einigermaßen populär waren und sind in den Börsen allenfalls Comics, Männermagazine und Pornohefte. Warnungen und Klagen, Raubkopien aus dem Netz gingen der Verlagsbranche an die Substanz, schienen da reichlich hysterisch.

Was den Print von Musik und Film unterscheidet, ist, dass der digitale Vertrieb noch keine Kopie ermöglicht, die das Original wirklich ersetzt. Spätestens seit Chester F. Carlson 1937 den Fotokopierer erfand, Xerox 1949 den ersten auf den Markt brachte, bestand prinzipiell die Möglichkeit, mit minimalem Aufwand Kopien von Drucken zu schaffen.

Solche Kopien etwa an den Universitäten sind durchaus mit Verdienstausfällen für Verlage verbunden. Deshalb gibt es nicht nur in Deutschland Verwertungsgesellschaften, die für jede einzelne Kopie eine kleine Gebühr einbehalten, die an Urheber und Copyright-Eigner ausgeschüttet wird.

Die "Carbon-Copy": ein Bagatellschaden

Doch diese Schäden hielten sich immer schon in sehr engen Grenzen. Wer druckt sich schon den neuen Harry Potter auf Din-A-4 aus (die Kopie wäre teurer als das Buch)? Wer liest ihn am Bildschirm? Wer blättert virtuell in der "Brigitte", wer will opulente Fotostrecken im PDF zum Einzelausdruck und nebeneinanderlegen?

Mygazines geht einen anderen Weg: Die Web-Seite setzt auf einen Flash-Client, in dem die Magazine in hoher Qualität dargestellt werden - so wie man sie gedruckt normalerweise sieht.

Alles ist möglich: blättern, das Springen zu bestimmten Seiten, das gezielte Ansteuern bestimmter Artikel. Jedes der Bilder lässt sich per Zoom auf Bildschirmgröße aufziehen. Wenn der groß genug ist, ermöglicht das wirklich ein bequemes Lesen. Tatsächlich zeigt Mygazines schon fast exemplarisch, was ungezählte Verlage unter dem Stichwort E-Paper in den letzten Jahren umzusetzen versuchten - und die meisten von ihnen schlicht nicht schafften. Kein Zweifel: Was Mygazines da demonstriert, ist gut.

Und zum ersten Mal erregt ein solches Print-Kopie-Angebot wirklich Aufmerksamkeit - nicht zuletzt die von Verlagsanwälten. Die sehen darin einen dreisten Bruch von Urheberrechten. Internet-Nutzer sind da notorisch schmerzfreier: In knapp drei Wochen registrierten sich fast 20.000 Nutzer auf der Seite. Das aber muss man nur, wenn man entweder selbst Zeitschriften hochladen will - oder Zugang zu den nicht jugendfreien Inhalten möchte.

Mit einem Mal ist "Mag-sharing" chic

Selbst im stubenreinen Teil des Angebotes finden sich bereits rund 1400 aktuelle Magazine, die meisten aus englischsprachigen Ländern, aber auch aus dem spanischsprachigen Raum, aus Russland und anderen Regionen. Kein Zweifel, Mygazines kommt an.

Allerdings nicht bei den Verlegern. Sowohl Time Warner als auch "The Economist" kündigten gegenüber der Nachrichtenagentur AP bereits an, juristische Schritte zu prüfen.

Das könnte tückisch werden. Die schicke Seite, die so professionell gestaltet darherkommt, dass sie von vielen Internet-Nutzern für legal gehalten werden dürfte, wird von einem John Smith betrieben, der offenbar in einem Briefkasten auf Anguilla lebt, einem Inselchen aus der Gruppe der Kleinen Antillen. Wer wirklich dahintersteckt, weiß derzeit niemand, die Betreiber reagieren auch nicht auf Kontaktversuche.

Die Server der Seite stehen zwar in Kanada, aber selbst wenn dort die Abschaltung erzwungen werden könnte, wäre das Problem kaum gelöst: Wahrscheinlich würde sie in kürzester Zeit auf einem anderen Server wieder auferstehen. Das ist allerdings noch das kleinste der Probleme aus Sicht der Verlage. Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass jede Technik, die beim Internet-Publikum Zuspruch fand, sich durchgesetzt hat - auch gegen juristische Widerstände.

Mygazines ermöglicht ein Magazinlesen, wie Streaming-TV-Seiten den Konsum von Fernsehen ermöglichen: zwar am Rechner, aber in hoher Qualität. Zudem ist kein eigentlicher Download damit verbunden. In der Wahrnehmung des Nutzers ist die Lesesituation mit einem "Ach, schauen wir doch mal eben, was Magazin XYZ aktuell so zu bieten hat" beschrieben. Das könnte man sogar am Arbeitsplatz, denn es geht ja nur um eine Web-Seite.

Ein Alptraum der Verleger ist damit wahr geworden. Und es scheint nur eine Frage der Zeit, bis weitere Dienste in der Art von Mygazines folgen.

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