Briefkastenfirmen? Herzlich Willkommen!
Archivmeldung vom 18.03.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.03.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Michael DahlkeAnonymität im Internet kann von Vorteil, aber auch von Nachteil sein. Etwa dann, wenn Domains zu zwielichtigen Zwecken anonym angemeldet werden.
Bei .de Domains ist das nicht möglich, möchte man meinen. Aber es geht doch. Dank einer eigenwilligen Auslegung der Denic-Richtlinien durch die Denic selbst.Diese Erkenntnis stellte sich im Zusammenhang mit Recherchen über die Firma Dom.li ein. Hinter diesem angeblich in Liechtenstein angesiedelten Unternehmen verbergen sich die unterschiedlichsten Aktivitäten. Am Harmlosesten dürfte es dabei sein, dass "Dom Limited" offenbar viele Hundert wenn nicht gar Tausende von Domains unter .de angemeldet hat, die vorsichtig ausgedrückt dem Zweck des Suchmaschinen-Marketings dienen.
Gemeint sind Web-Auftritte, die mit mehr oder weniger sinnvollen Inhalten gefüllt sind, die aus mehr oder weniger eigenen Quellen des Unternehmens stammen. Auch das ist vorsichtig ausgedrückt. Daneben findet man auf diesen Seiten meist Adsense-Anzeigen (Google), die für die Refinanzierung sorgen. Wie viele deutsche Domains dieser Art betrieben werden, kann leider aufgrund des Denic-Reglements nicht ermittelt werden. Doch es dürften schon einige sein, wenn man bedenkt, dass schon die Google-Suche nach der Standard-Floskel "2004 Dom.li Limited" über 35.000 Ergebnisse bringt.
Weniger harmlos als das ist dann schon der Vorgang, bei dem Thomas Thiede von der FH Hannover Kontakt mit der Firma machen konnte. Diese hatte sich nach seinen Angaben den Domain-Namen einer von ihm betreuten Schule "gegrabbt". Mit etwas Nachdruck bei den beteiligten Providern konnte er dies zwar auf dem "kleinen Dienstweg" wieder rückgängig machen. Doch er sammelte während dieser Ereignisse auch wichtige Erfahrungen über Dom.li.
Zunächst wollte er sich nämlich an die Person wenden, die nach der Übertragung an die Liechtensteiner Firma als deutscher Admin-C im Denic-Whois eingetragen ist. Es handelt sich dabei um einen gewissen Georg H. für den die Straßenadresse Löhrstr. 103 - 105 in Koblenz am Rhein angegeben war.
Dom.li schien damit die Richtlinien der Denic voll erfüllt zu haben. Denn dort heißt es bezüglich der Domain-Registration durch Ausländer: "Sofern der Domaininhaber seinen Sitz nicht in Deutschland hat, ist der admin-c zugleich dessen Zustellungsbevollmächtigter i. S. v. §§ 174 f ZPO; er muss in diesem Falle seinerseits in Deutschland ansässig sein und mit seiner Straßenanschrift angegeben werden".
Doch Thiede gelang es nicht, diesen H. persönlich zu erreichen. Im angegebenen Haus in Koblenz war die Person laut seinen Nachforschungen unbekannt. Also beauftragte er Regis24 mit einer Recherche nach dem Admin-C. Aber auch hier war das Ergebnis negativ: "Die gesuchte Person kann mit den angegebenen Suchattributen als gemeldet oder gemeldet gewesen im aktuellen Meldebestand nicht ermittelt werden".
Auch seine weiteren Recherchen nach Dom.li verliefen weitgehend unbefriedigend. Das "Öffentlichkeitsregisteramt" in Liechtenstein teilte ihm auf Anfrage mit, dass es die von ihm nachgefragte Firma in Liechtenstein nicht gibt. In Vaduz, wo diese Firma ansässig sein soll, existiert noch nicht einmal eine Straße mit dem angegebenen Namen.
Ein Anruf bei der Schweizer Domain-Verwaltung Switch, zuständig für Domains unter der ccTLD .li, führte ebenfalls zu einer kuriosen Reaktion: Innerhalb weniger Stunden zog Dom.li laut Switch-Whois nämlich um. Und zwar aus den Alpen direkt in den pazifischen Ozean. Im Whois wird nun eine Firmenadresse auf den Marshall Inseln angegeben.
Aber nur für die Domain dom.li versteht sich. Die deutschen Domains gehören laut Denic-Whois immer noch einem Unternehmen in Liechtenstein mit noch nicht einmal existenter Adresse. Was Denic aber nicht interessieren muss, denn es gibt ja noch den Admin-C als Ansprechpartner, oder?
Das alles sollte nachdenklich machen. Vor allem weil sich die Aktivitäten dieses Unternehmens vermutlich nicht auf die oben genannten "Kleinigkeiten" beschränken. Wie beispielsweise der für den "Googlefilter" - ein Dialer-Schutz - zuständige Projektleiter bei Filtertechnics.de, Marc Wäsche, angibt, tauchen Dom.li Domains auch im Zusammenhang mit Dialer-Sichtungen durch Filter-Nutzer auf. Von anderer Seite wird behauptet, dass Dom.li Domains auf Sites in Osteuropa umleiten, auf denen Dialer verbreitet werden, die nicht den Anforderungen der deutschen Regulierungsbehörde genügen.
Spätestens an diesem Punkt muss man sich fragen, wer denn nun für einen etwaigen Schaden gerade stehen wird, der möglicherweise im Zusammenhang mit einer solchen .de-Domain entsteht. Was, wenn eine solche Domain etwa zum Verkauf von Waren gegen Vorkasse genutzt wird, diese Waren aber nie zur Auslieferung kommen?
Müsste in einem Fall wie dem vorliegenden nicht die Denic - und sei es auch nur vorübergehend - die Domain-Registration sperren oder zumindest den angegebenen Admin-C eindringlich überprüfen? Vor allem wenn Hinweise wie die bisher gegebenen der Denic gemeldet werden? Schließlich steht das C in Admin-C doch für "Contact" und der muss zuverlässig herstellbar sein.
Das dachte auch Thomas Thiede und informierte die Denic-Rechtsabteilung über seine Erkenntnisse. Leider blieb diese Meldung aber ohne Folgen. Ebenso wie eine nochmalige Meldung durch intern.de, mit der Bitte, den Vorgang zu prüfen. Dies wurde als nicht notwendig abgelehnt.
Die Forderung der Denic-Richtlinie, dass ein Admin-C "mit seiner Straßenanschrift angegeben werden" muss, wird nämlich von Denic auf haarsträubende Art und Weise operationalisiert: Die Vergabestelle reagiert nur dann auf solche Hinweise, wenn "stichhaltige Anhaltspunkte" vorliegen, dass der angegebene Admin-c unter der angegebenen Adresse nicht erreichbar ist. Etwa dann, wenn der Beschwerdeführer einen Briefumschlag mit der Aufschrift "Unbekannt" oder "Unbekannt verzogen" präsentieren kann.
Erst dann wird Denic der Sache nachgehen, wie es ansonsten auch in den FAQs der Vergabestelle heißt. Und da im Fall Dom.li alle Briefe an den Admin-C offenbar empfangen und nicht zurückgeschickt wurden, besteht für Denic kein Handlungsbedarf. Selbst dann nicht, wenn der Domain-Inhaber nachweislich mit falschen Informationen auftritt und somit schon ein Anfangsverdacht gegenüber seinem Stellvertreter auftreten muss.
Von dieser Haltung ist man in Frankfurt nicht abzubringen, auch nicht, nachdem darauf hingewiesen wurde, dass diese "Erreichbarkeit" schlicht durch einen Büro-Service erreicht wird. Denn hinter der angegebenen Adresse in Koblenz bietet die Firma "A bis Z Dienstleistungen" die von ihr so genannten "Domiziladressen" an. Und schon für wenig Geld vermietet die Inhaberin - eine ehemalige Krankenschwester - auch die "Postadresse", die "kleine Schwester" der Domiziladresse. Sie ist ab 50 Euro im Monat zu haben.
Wie man am Briefkasten des Unternehmens erkennen kann, werden diese Dienste gerne genutzt. Änderungen scheinen so häufig, dass die Einträge am Ende einer Liste von fast 30 Unternehmen schnell handschriftlich vorgenommen wurden. Der ein oder andere klebt gar sein selbst gedrucktes Visitenkärtchen oder den Namensaufkleber einfach mit dazu. So stellen sich bestimmt die wenigsten Juristen eine ladungsfähige Adresse vor.
Auch Rechtsanwalt Daniel Dingeldey von United Domains, ein anerkannter Experte in Sachen Domain-Recht, kann nicht ganz nachvollziehen, wieso ein Bürodienstleister den sehr hohen Anforderungen der Denic-Richtlinien genügen soll. Denn hoch sind diese Ansprüche durch den Verweis auf "§§ 174 f ZPO" auf jeden Fall.
Definiert doch schon § 174 ZPO einen möglichen Zustellungsbevollmächtigten als "einen Anwalt, einen Notar, einen Gerichtsvollzieher, einen Steuerberater oder (...) eine sonstige Person, bei der aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann". Nach Einschätzung von Dingeldey erfüllt ein Bürodienstleister diese Anforderung sicher nicht.
Aus der Sicht des Rechtsanwalts ist es aber auch allgemein fraglich, ob ein "Hinweis auf §§ 174 ZPO wirklich den Domain-Inhaber dazu verpflichtet, einen Zustellungsbevollmächtigten im Sinne von § 174 ZPO zu beauftragen". Seiner Meinung nach geht die Denic im Hinblick auf diesen Paragraphen sogar zu weit und er hält diese "AGB" daher für unwirksam.
Von dem in der neueren (2001) Fassung des Gesetzes (§ 184 ZPO) beschriebenen Bevollmächtigten wird übrigens nur noch verlangt, dass er im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat. Doch auch diese Forderung scheint im Fall der Domizil- oder Postadresse in Koblenz nur schwerlich erfüllt. Ganz davon abgesehen, dass sich die Denic-Richtlinien explizit auf die "§§ 174 f ZPO" beziehen.
Bleibt die Frage, wieso die Denic-Richtlinien so hohe Forderungen stellen, man sich aber gleichzeitig so anspruchslos zeigt, was ihre Umsetzung angeht. Wieso bezieht man sich auf strenge gesetzliche Vorgaben, wenn es genausogut heißen könnte, dass jede Adresse willkommen ist, solange Briefe dorthin nicht retourniert werden?
Denn was aus dieser Scheingenauigkeit folgt, ist eine lediglich suggerierte Rechtssicherheit. Und vor allem ein veritables Schlupfloch für alle Ganoven im In- und Ausland, die nicht mit ihrem eigenen Namen für ihre Online-Aktivitäten unter .de verantwortlich gemacht werden wollen. Welcher andere Eindruck soll sich einstellen, wenn eine im Ausland nicht existente Firma in Deutschland eine .de- Domain betreiben darf, nur weil ein ansonsten vermutlich harmloser Dienstleister in Deutschland seine postalische Adresse prostituiert? Und das offenbar mit Wissen und Billigung der Denic, nachdem alle Aufforderungen zur Überprüfung abgewiesen werden.
Dabei kann man es fast schon als einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln betrachten, wenn sich die Vergabestelle mit ihren hehren Richtlinien im internationalen Vergleich einen nicht gerechtfertigten Vertrauensvorschuss verschafft. Denn so wie es scheint, sind deutsche Domains und ihre Inhaber nur scheinbar rechtlich sicher und zuverlässig. Der Eindruck kann ebenso leicht für wenig Geld vorgetäuscht werden.
Um es überspitzt auszudrücken: Es genügt, mit einem Akku-Bohrer bewaffnet einen Briefkasten aus dem Baumarkt in einem Hinterhof von Berlin Kreuzberg anzubringen. Vielleicht bekommt der Hausmeister dazu noch eine kleine finanzielle Anerkennung und übernimmt als Gegenleistung die Weiterleitung der Eingangspost. Dann wird die Domain betrogen-werden-hier-aber-sofort.de von einer erfundenen Firma in Takkatukka-Land angemeldet und "Michael Müller", wohnhaft im Kreuzberger Hinterhof, ist Admin-C und Ansprechpartner in allen rechtlichen Angelegenheiten. Zumindest, solange diese Angelegenheiten nicht zu sehr schmerzen. Eine Abmahnung per Einschreiben (Benachrichtigung im Briefkasten) nimmt Müller vielleicht noch an, solange die Kasse stimmt. Aber wenn beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll, wird Müller "unbekannt verziehen". Und erst dann wird die Denic tätig. Leider, leider zu spät, aber wer konnte das auch ahnen?
In diesem Zusammenhang muss sich Denic wohl einen Vergleich mit dem aussichtsreichsten Mitbewerber um die .anstehende Neuvergabe der .net Registry gefallen lassen (vgl.: ".net Vertrag auf VeriSign zugeschnitten"). VeriSign kann sicher viel Nachteiliges nachgesagt werden, doch hinsichtlich falscher Whois-Eintragungen wird von dem Unternehmen zumindest eine einfach zugängliche WWW-Meldestelle für falsche Whois-Eintragungen angeboten. Und dort wird man auch tätig, wenn keine Briefumschläge als "Beweis" vorgelegt werden.
Wie dagegen die Denic e.G. im Fall eines Zuschlags durch die ICANN ihre heile §§-Welt zum Maßstab für eine weltweit genutzte Top Level Domain machen will, das steht in den Sternen.