Wissenschaftler der Universität Münster untersuchen rechtliche Rahmenbedingungen für Breitband-Anschlüsse
Archivmeldung vom 04.01.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Übertragungsmöglichkeiten im Internet haben sich in den vergangenen Jahren rasant verbessert. Gleichzeitig aber steigen die Anforderungen, weil die Anwendungen immer ausgeklügelter werden. Während man in den Anfangszeiten des Internets mit Modem und 14,4 Kilobit pro Sekunde (Kbit/s) durchs Netz tuckerte und mitunter minutenlang auf den Aufbau einer Seite warten musste, saust der Normalhaushalt heutzutage mit drei bis sechs Megabit (Mbit/s) durchs World Wide Web.
Das wird allerdings nicht mehr lange gut gehen. Denn vor allem Geschäftskunden benötigen die Möglichkeit, sich mit zweistelligen Mbit/s-Raten bewegen zu können. Derlei Breitband-Verbindungen sind aber für den ländlichen Raum zu teuer. Die rechtliche Problematik schneller Internetverbindungen untersucht die öffentlich-rechtlichen Abteilung des Instituts für Informations-, Telekommunikations-, und Medienrecht (ITM) der Universität Münster unter der Leitung von Prof. Dr. Bernd Holznagel.
Bereits jetzt gibt es in Deutschland viele Gebiete, in denen es zwar einen Internetzugang gibt, die aber von den schnellen Verbindungen abgeschnitten sind, weil ein Ausbau zu teuer wäre. Das betrifft vor allem den ländlichen Raum. "Von Breitband spricht man bei einer Datenübertragungsrate ab einem Mbit/s. Die Technologie DSL beispielsweise ermöglicht gängige Raten von drei bis sechs Mbit/s", erklärt Sebastian Deckers, Geschäftsführer des Instituts. Dabei werde der Bedarf aber immer größer. Bereits in wenigen Jahren, so die Prognose, werden jedenfalls im geschäftlichen Bereich 50 Mbit/s und mehr gebraucht. Als Anwendungsbeispiel nennt Deckers hochauflösende Videoübertragungen, die ab 20 Mbit/s laufen, vernetzte Firmen, Datenbanken oder Forschungsaktivitäten, die alle große Datenmengen generieren.
Das normale Telefonnetz, über das in Deutschland noch die meisten Haushalte angeschlossen sind, kann das aber nicht mehr leisten. "Es gibt einen technischen Zusammenhang zwischen der Länge des Kupferkabels und der Übertragungsfähigkeit", erklärt der Doktorand. In Stadtgebieten mit vielen Verteilerknoten und entsprechend kürzeren Kupferkabeln reicht das Telefonnetz, um die jetzt üblichen sechs Mbit/s zu generieren. Die Technologie ist aber bei höheren Geschwindigkeiten ausgereizt.
Die Telekom setzt deswegen auf VDSL: Die Telefonkabel werden verkürzt, das leistungsfähigere Glasfaserkabel wird durch weitere Verteilerknoten an den Verbraucher heran geführt. Doch diese Technik lohnt sich nur in Ballungszentren. "Potenziell haben Glasfaserkabel unbegrenzte Geschwindigkeiten, doch sie zu legen, kostet enorm viel Geld", meint Deckers. Die Telekom rechnet für einen Kilometer Glasfaserkabel-Tiefbau mit Oberflächenbehandlung mit ungefähr 50.000 Euro.
Auch in anderen Ländern ist man sich des Problems bewusst. Dort werden teilweise ebenfalls Telefonkabel eingesetzt, allerdings zum Teil kürzere als in Deutschland. Die USA dagegen setzen auf ihr Fernsehkoaxialnetz. Zwar werden dabei auch Kupferkabel benutzt, das Netz ist wegen der besseren Kabelqualität trotzdem leistungsfähiger. Hierzulande bietet Unitymedia diese Möglichkeit an, nutzt allerdings nur das bestehende Fernsehnetz und baut dieses räumlich nicht weiter aus. Asien wiederum ist ein Paradies für jeden regelmäßigen Surfer: Hier wurden etwa in Korea und Japan großflächig Glasfaseranschlussnetze aufgebaut, die Geschwindigkeiten von 100 Mbit/s und mehr ermöglichen.
Was tun, damit die Menschen und Unternehmen im ländlichen Raum nicht systematisch benachteiligt werden und die Schere immer weiter auseinanderklafft? Mindestens 600 Kommunen sind davon in Deutschland betroffen, fünf Kreise hatten das ITM um ein Gutachten gebeten, ob und wie sie selbst in die Netze investieren oder Telekommunikationsunternehmen fördern dürfen. "Von der Frage, ob Kommunen sich in diesen Markt einschalten, sind viele verschiedene Rechtsgebiete betroffen", erläutert Deckers. "Das ist erstmal Neuland für sie." Ausgerechnet die kleinen, nicht so leistungsfähigen Kommunen sind betroffen, also jene, die auch keine potente Rechtsabteilung haben.
"Zuerst muss man die unterschiedlichen Wertschöpfungsebenen unterscheiden, also Bau, Betrieb der Netze und Dienste", so Deckers. So kann eine Kommune entweder selbst die Böden aufreißen und die Kabel ziehen oder ein bereits bestehendes Unternehmen wie die Telekom bezuschussen, damit diese die unrentablen Gebiete bedienen. Es sind Fragen des Kommunalrechtes betroffen, denn der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden sind enge Grenzen gesetzt. Europäisches Recht ist betroffen, wenn untersucht werden muss, ob Subventionen rechtens waren, da gleiche Wettbewerbschancen für alle gewährleistet sein müssen. In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission eine komplexe Rechtslage geschaffen, die nach der jeweils vorhandenen Infrastruktur unterscheidet. Die Neutralitätspflicht der öffentlichen Hand ist ebenso betroffen wie das Kartell- und das Lauterkeitsrecht.
Zu all diesen Fragen haben die Wissenschaftler keine allgemein gültigen Antworten: "Es kommt immer auf die spezielle Strategie einer Kommune an, wie sie mit diesem Problem umgeht", so Deckers. Es ist auf jeden Fall ein Problem, dem man nicht entgehen kann: "Das Glasfaserzugangsnetz muss irgendwann aufgebaut werden und das wird, so schätzt man, 40 bis 60 Milliarden Euro kosten. Soll das der Staat zahlen, weil Infrastruktur eine klassische Aufgabe des Staates ist, oder soll das der Markt regeln? In dieser Frage ist die Politik gefordert, möglichst schnell Antworten zu liefern."
Quelle: Westfaelische Wilhelms-Universität Münster