König Investor - Wie Unternehmen auf E-Mails reagieren
Archivmeldung vom 18.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer als potenzieller Investor eine E-Mail schickt, wird von deutschen Unternehmen vorzüglich behandelt. Deutlich schlechter ergeht es jenen, die sich als Kunden oder gar Bewerber an eine Firma wenden: Sie müssen erheblich länger auf eine Antwort warten, bekommen oft negative Reaktionen und unvollständige Informationen. Und: Im Schnitt beantworten deutsche Top-Unternehmen nur drei von vier E-Mails.
Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie von Christian Treutler am Institut für Medienwissenschaft der RUB (Betreuer: Prof. em. Franz R. Stuke).
80 Unternehmen angeschrieben
Für seine Bachelor-Arbeit hat sich Christian
Treutler per E-Mail an die 80 deutschen DAX- und MDAX-Unternehmen gewandt: Als
Investor, Kunde und Jobbewerber schrieb der Student die Unternehmen jeweils an
und wertete dann ihr Antwortverhalten aus. Dabei ging es nicht nur um die
Reaktionsgeschwindigkeit, auch Qualität und Form analysierte Treutler; zudem
erstellte er einen Branchenvergleich.
Chemie- und Pharmabranche
vorn
"Die Chemie- und Pharmaunternehmen schneiden hier am besten ab",
sagt Christian Treutler. "Dies gilt sowohl für die Geschwindigkeit der Antworten
als auch für ihre inhaltliche Qualität." So enthielten 69 Prozent der
eingegangenen E-Mails dieser Unternehmen alle angefragten Informationen. Die
zweitbeste Branche - der Finanzsektor - erfüllte dieses Kriterium lediglich zu
41 Prozent; und die deutschen "Vorzeige-Unternehmen" der Automobilbranche
beantworteten sogar nur jede dritte Mail vollständig (33 %). Auch bei der
Reaktionszeit liegt die Chemie- und Pharmabranche vorn: Während die Unternehmen
im Schnitt weniger als sieben Stunden für eine Antwort brauchten, dauerte es bei
den anderen Branchen mit durchschnittlich zwölf Stunden deutlich
länger.
Anleger werden bevorzugt
Insbesondere Anleger müssen sich
um die Antwort keine Sorgen machen: "Branchenübergreifend antworteten vor allem
die Investor-Relations-Abteilungen sehr gut und professionell", so Treutler.
"Potenzielle Anleger können davon ausgehen, dass ihre Anfragen inhaltlich meist
adäquat beantwortet werden. Zudem kommen die Antworten vergleichsweise schnell."
Jobinteressenten und Kunden müssen hingegen oftmals mit einem deutlich
schlechteren Antwortverhalten leben. So dauert es im Schnitt weniger als sechs
Arbeitsstunden, bis die Anfragen der Anleger beantwortet wurden - bei den
Bewerbern waren es mehr als 17 Stunden, bei den Kunden durchschnittlich mehr als
elf Stunden.
Antworten oftmals unvollständig
Vollständig
beantwortet wurden die Anfragen der Kunden nur zu 35,5 Prozent, die der Bewerber
gar nur zu 13,5 Prozent, während im Schnitt über 70 Prozent der Antworten auf
Investor-Anfragen alle erbetenen Informationen beinhalteten. "Auffällig dabei
ist, dass gerade die Antworten an Jobinteressenten nochmals deutlich negativer
ausfallen als jene an die Kunden", sagt Treutler. Sein Resümee: "Dass
Kundenanfragen häufig nicht mit der notwendigen Sorgfalt und hoher Priorität
abgearbeitet werden, ist unverständlich." Ebenso kritisch sieht der
Medienwissenschaftler das noch schwächere Antwortverhalten gegenüber
potenziellen Bewerbern: "Der Kampf um die besten Nachwuchsköpfe gilt als eine
zentrale zukünftige Herausforderung für Unternehmen. Zumindest im
Antwortverhalten bei E-Mail-Anfragen ist davon jedoch nicht viel zu
bemerken."
Von der IR-Abteilung lernen
Mit Blick auf die guten Ergebnisse bei den potenziellen Anlegern empfiehlt Christian Treutler den Unternehmen, die Prozesse und Strukturen, die hier zum Einsatz kommen, auch bei den übrigen Zielgruppen anzuwenden: "Im Umgang mit E-Mail-Anfragen von Kunden und Jobinteressenten sollten die Unternehmen von ihren IR-Abteilungen lernen." Denn diese zeigten mit nur wenigen Ausnahmen, dass ein professionelles Antwort-Management durchaus möglich sei. "Auch wenn man berücksichtigen muss, dass die Menge an Anfragen hier etwas geringer sein dürfte als bei den anderen Zielgruppen", so Treutler.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.