Leipziger Volkszeitung zu Schröder und Gasprom
Archivmeldung vom 12.12.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.12.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGerhard Schröder hat mal wieder allen gezeigt, was er für eine bauernschlaue Harke hält - und erntet dafür berechtigte Kritik aus allen politischen Richtungen. Der Ex-Kanzler, Seit' an Seit' mit einem Ex-Major der Stasi und protegiert von seinem begrenzt demokratietauglichen Duz-Freund Putin, an der Spitze der Betreibergesellschaft der außenpolitisch umstrittenen Ostsee-Pipeline:
Das halten viele für "Vetternwirtschaft" oder gar
"einen Hauch von Korruption". Selbst in der SPD kann sich kaum jemand
zu einer matten Ehrenrettung ihres einstigen Stars und zukünftigen
Pipeline-Oberaufsehers aufraffen. Solch fragwürdiges Handeln hätten
weder Brandt noch Schmidt so kurz nach dem Machtverlust ihrer SPD
zugemutet.
Die Gratwanderung des Polit-Rentners und Privatmannes Schröder vom
Genossen der Bosse zum internationalen Gas-Boss ist legal. Aber ein
ehemaliger deutscher Regierungschef sollte nicht nur die bloße
Rechtmäßigkeit zum Rahmen seines Handelns machen, wenn deutsche
Interessen berührt sind. Mit seinem Job von Putins Gnaden stört
Schröder massiv die Außenpolitik der neuen Regierung. Gerade versucht
Kanzlerin Merkel den Flurschaden in Polen und den baltischen Staaten
zu reparieren, den Putins und Schröders Pipeline-Coup angerichtet
hat. Ausgerechnet Schröder als Aufsichtsratschef - das ist eine
Provokation, die ihm selbst offenbar Schnuppe ist. Dass
Wirtschaftsminister Glos gute Miene zum bösen Spiel machen muss,
gehört zum Maulkorb-System der Großen Koalition.
Plötzlich stellen sich brisante Fragen: Hat Schröder den Posten schon
angeboten bekommen oder gar angenommen, als er noch Kanzler war? Hat
das womöglich seine Entscheidungen beeinflusst? Tatsache ist, dass
Schröder von seinem Handeln als Kanzler finanziell profitiert. Hätte
seine Bundesregierung die umstrittene Gasleitung nicht gefördert,
sondern bekämpft, könnte er jetzt nicht in den Aufsichtsrat. Der
unappetitliche Vorgang hat nicht nur Geschmäckle, er stinkt gewaltig.
Nach Schröders Außenpolitik auf Kumpelbasis nun die internationale
Kumpelwirtschaft. Dies System Schröder ist angreifbar und anrüchig,
selbst wenn an den Vorwürfen nichts dran sein sollte. Warum lobte
Schröder Putin als "lupenreinen Demokraten", obwohl der vermutlich
nicht mal nachts davon träumt? Warum seine Zurückhaltung in
Menschenrechtsfragen?
Es geht nicht um Neid oder Gier, nicht um das vermutete
Millionen-Honorar für Schröder. Ein Ex-Kanzler muss die Chance haben,
in der Wirtschaft Karriere zu machen. Es ist die Glaubwürdigkeit der
Politik, die auf dem Spiel steht. Der Unterschied zu Schröders
Beratertätigkeit für den Schweizer Ringier-Verlag als
"internationaler Türöffner" ist offensichtlich. Schröder vermarktet
dort seinen Namen, aber nicht in direktem Zusammenhang mit
Regierungsbeschlüssen. Auch andere Alt-Kanzler verdienen als
Zeitungs-Herausgeber, Medien- und Unternehmensberater oder Redner
Geld. Schröder jedoch hat leichtfertig eine Grenze überschritten, die
Westerwelles Forderung nach einem Ehrenkodex nur allzu verständlich
macht. Schröder hat nicht nur seinem Ansehen, sondern auch dem des
Amtes geschadet.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung