Standpunkte: Die Hände des Tantalos
Archivmeldung vom 26.03.2020
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Freigeschaltet durch André OttNach 30 Jahren Neoliberalismus benimmt sich der Staat plötzlich wieder als Staat... allerdings nur seinen Bürgern gegenüber. An anderen Stellen wird immer noch so getan, als seien ihm die Hände gebunden. Dabei wäre eine Wiederentdeckung anderer staatlicher Möglichkeiten dringend geboten – der Kontrolle über wirtschaftliche Prozesse.
Die sich entwickelnde Corona-Krise häuft Peinlichkeit über Peinlichkeit. Zwei ganz besonders ausgeprägte Beispiele fanden sich auf der Facebook-Seite (1) des Münchner Privatsenders Radio Gong 96,3. Erst, am 20. März, ein Aufruf an Tattoo-Studios und Schönheitssalons, doch bitte nicht benötigtes Desinfektionsmittel an das Kinderhospiz weiterzureichen; dann, am 22.03., ein Aufruf des Krankenhauses Dritter Orden, ihm doch bitte Mundschutzmasken zu nähen.
Das ist weder für den Sender noch für die Kliniken peinlich, nicht, dass wir uns mißverstehen, es ist peinlich für die Behörden dieses Landes, für die gesamte politische Kaste. Denn wenn es ein Land in Europa gibt, das solche Aufrufe nicht nötig haben dürfte, dann Deutschland. Es scheint nur bei den Verantwortlichen völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Denn jegliches Handeln folgt dem Glauben, das, was die heilige unsichtbare Hand des Marktes nicht auf den Tisch legt, darf nicht sein... und so kann es geschehen, das in dem Land, das den größten Chemiekonzern der Welt beheimatet und die Produkte seines Maschinenbaus in die ganze Welt exportiert, in Bezug auf einfache Dinge wie Schutzmasken und Desinfektionsmittel so gehandelt wird, als wären wir ein Land in, sagen wir mal, Zentralafrika, das über nichts davon verfügt und gar keine anderen Möglichkeiten hat, als an den guten Willen einzelner Privatleute zu appellieren.
So ähnlich wurde ja schon seit 2015 gehandelt. Man nahm viele Menschen im Land auf und überließ es dann einer Mischung aus Geschäftemacherei und Zufall, ob und wie sie irgendwo unterkommen, und gab sich dann völlig verblüfft, dass die ohnehin schon hohen Zahlen Wohnungsloser noch weiter nach oben gingen. Weil ein Staat ja kein Wohnungsbauprogramm auflegen kann, um dem abzuhelfen. Weil ein Staat ja nicht wissen kann, dass Menschen, die neu ins Land kommen, auch ein Dach über dem Kopf brauchen werden. Und so ging es weiter, Schritt für Schritt – die Sprachkurse wurden nicht über das öffentliche Schulsystem organisiert, nein, weil man da womöglich Menschen richtig einstellen müsste, ging das über private Sprachschulen, die dann – voraussehbar – vor allem ein Interesse an Anschlussaufträgen und weniger Interesse am Erfolg des Unterrichts hatten; Ausbildungsplätze sollten die Neuankömmlinge so finden wie alle anderen auch, wohl wissend, dass die Ausbildungskapazitäten gerade in der Industrie längst auf das absolute Minimum heruntergefahren wurden, um nicht ja einen zu viel auszubilden...weiterlesen hier.
Quelle: KenFM von Dagmar Henn