WAZ: Zu wenig männliche Lehrer
Archivmeldung vom 15.10.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.10.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Mann als Grundschullehrer: Er gehört einer seltenen Spezies innerhalb seines Geschlechts an. Schließlich nimmt er ein recht geringes Einkommen in Kauf, und zwar ohne Aussicht, jemals im Laufe seines Berufslebens einen satten Gehaltssprung machen zu können.
Erschwerend kommt hinzu, dass es die Gesellschaft zwar für
löblich hält, Kinder zu erziehen, ihnen das kleine Einmaleins und die
wichtigsten Rechtschreibregeln beizubringen. Gleichzeitig belächelt
sie den Mann, der sich um Erziehung und Bildung jüngerer Kinder
kümmert - übrigens jeder wissenschaftlichen Erkenntnis zum Trotz,
nach der die frühen Jahre entscheidend sind für Entwicklung und
Lernerfolg.
Geld und Anerkennung, die beiden entscheidenden Triebfedern für
die Berufsfindung eines Mannes, fehlen. Den wenigen, die sich ins
Kollegium der Grundschulen verirren, darf man unterstellen, sich mit
einer gehörigen Portion Idealismus für den Beruf entschieden zu
haben.
Dass Jungs so viel schlechter lesen als ihre gleichaltrigen
Klassenkameradinnen, dass ihnen Mädchen während der Schullaufbahn den
Rang ablaufen - schnell wird die Ursache für dieses Phänomen bei den
fehlenden männlichen Bezugspersonen an Schulen gesucht. Es ist auch
sicher richtig, dass Jungs einen anderen Umgangston brauchen, einen
anderen Lesestoff, eine andere Ansprache. Vor allem brauchen sie
jemanden, der sich in ihre speziellen Schwierigkeiten und Bedürfnisse
hineinfühlen kann. Stattdessen müssen sie auch mit Lehrerinnen
klarkommen, die vom Bewegungsdrang und Konfliktverhalten der Jungs
genervt sind.
Vor Jahrzehnten war es noch anders. Damals begann man, speziell
Mädchen zu fördern - weil sie zu still waren, weil sie selbst nicht
auf ihre Fähigkeiten aufmerksam machten. Zudem wurde es auch von
ihnen seltener erwartet, in der Schule wirklich erfolgreich zu sein -
übrigens obwohl schon damals das Kollegium vieler Grundschulen
überwiegend weiblich war.
Inzwischen hat die Mädchenförderung so sehr gefruchtet, dass die
Zahl der Abiturientinnen größer ist als die Zahl der Abiturienten.
Gleichzeitig sind Jugendliche ohne Schulabschluss überwiegend
männlich.
Am wohlsten fühlen sich übrigens Mädchen wie Jungen - dann sind sie auch aufmerksam und lernbereit -, wenn der Unterricht interessant ist, wenn der Lehrer/die Lehrerin nett, gerecht und kompetent ist. Was letztlich eine Binsenweisheit ist.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung