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Börsen-Zeitung: Offene Flanke

Archivmeldung vom 31.01.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.01.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Wenn Vorstandsvorsitzende die wirtschaftliche Lage als "etwas gemischtes Bild" beschreiben, dann ist immer Vorsicht angesagt. Doch als Siemens-Chef Joe Kaeser am Rande der Hauptversammlung exakt diese Worte wählte, um den Start in das neue Geschäftsjahr zu beschreiben, mussten erst recht die Alarmglocken schrillen. Schließlich diskutiert die gesamte Wirtschaftswelt aktuell über einen bevorstehenden Abschwung.

Trotzdem sind die Siemens-Quartalszahlen kein weiteres Indiz für eine breit angelegte ökonomische Kehrtwende. Im Gegenteil: Im Zahlenwerk verbergen sich Hoffnungszeichen. Beispielsweise ist der Auftragsbestand auf den Rekordwert von 137 Mrd. Euro gestiegen. Bremsspuren sind auch in Fernost nicht auszumachen. In China stieg der Ordereingang um 10%.

Dass Firmen wie Osram als Frühzykliker auf die Bremse getreten sind, scheint sich vorerst bei Siemens - zumindest in diesem Ausmaß - nicht zu wiederholen. Der Umbau der weltweiten Wertschöpfungsketten erfordert Investitionen, von denen die Münchner profitieren. Zudem ist das immer bedeutendere Softwaregeschäft weniger konjunkturabhängig. Vielleicht aber ist Siemens in einigen Sparten auch einfach besser geführt als manches Unternehmen, das nun über Einbrüche klagt.

Diese Einsicht hat sich am Mittwoch auch am Aktienmarkt durchgesetzt. Der Siemens-Kurs gab letztlich nur 0,7% ab. Eine Entwarnung ist dies aber nicht. Der Gewinnrückgang im ersten Quartal legt erneut offen, dass das Geschäft mit fossilen Kraftwerken die entscheidende offene Flanke ist. Solange der Vorstand keine strategische Lösung gefunden hat, wird der Aktienkurs nicht in die Regionen des Jahres 2017 zurückfinden.

Das ist auch deswegen schmerzhaft, weil die Erfolgsgeschichte der Sparte Digitale Fabrik überdeckt wird. Dort gelingt dem Konzern das Kunststück, mit mittleren einstelligen Prozentsätzen zu wachsen und zugleich die extrem hohe operative Rendite (20%) zu halten. Kein Wunder, dass sich Fondsmanager einen "logischen finalen Schritt" wünschen: die Konzentration auf dieses Geschäftsfeld, das hohe technologische Eintrittsbarrieren hat.

Damit allerdings wäre die Messe noch nicht gelesen. Denn auch in der Branche Industrieautomatisierung ließe sich der Markt weiter konsolidieren. Eine Änderung des europäischen Wettbewerbsrechts könnte, wenn die aktuelle Debatte zu diesem Ergebnis führt, den Weg ebnen für große Lösungen. Volkswirtschaftlich mag dies bedenklich sein. Die Siemens-Aktionäre würden profitieren.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Michael Flämig

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