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Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert die Geiselkrise in Afghanistan

Archivmeldung vom 23.07.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.07.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Zwei Männer, vermutlich Rudolf B. und Rüdiger D. aus Mecklenburg-Vorpommern, wollten beim Wiederaufbau Afghanistans helfen. Das wurde ihnen zum Verhängnis. Edle Motive rangieren in dem seit Weihnachten 1980 vom Krieg zerrissenen Land ganz weit unten. Auch die tagesaktuellen politischen Umstände der Entführung und des möglichen Todes einer Geisel können ungünstiger nicht sein.

Die Koalitionstruppen verlieren zusehends an Boden, die Regierung von Hamid Karsai ist schwächer denn je, und Washington denkt darüber nach, Pakistans Militärherrscher Pervez Musharraf fallen zu lassen. Die Provinzen auf beiden Seiten des Hindukusch brennen, die Taliban sind längst mehr als versprengte Hochtal-Krieger, der islamistische Terrorismus ist nicht zerschlagen, sondern gestärkt. Er hat seit Karsais Deal mit den Taliban um einen Gefangenenaustausch gegen eine italienische Geisel im März sogar an Bedeutung gewonnen. An den brutalen »Gotteskriegern« führt kein Weg mehr vorbei - selbst wenn sie gar nicht aktiv hinter den laufenden Entführungsfällen stecken sollten.
Klar, dass die Debatte um insgesamt drei Bundeswehr-Mandate von den deutlich erhöhten Risiken durchdrungen ist. Zum Jahresbeginn ging es nach dem Tod eines Mitarbeiters der Deutschen Welthungerhilfe noch vorrangig um die Frage, ob Hilfsorganisation mit ihrem nichtmilitärischen Status noch sicher arbeiten können und Chancen haben. Jetzt stehen harte militärische Erwägungen an. Die Taliban-Strategie lautet Angst und Terror. Auch deshalb lehnen die Deutschen einen Kampfeinsatz im Süden ab. Trotz zunehmender Sicherheitsrisiken will man auch weiterhin Kontakte zu Einheimischen außerhalb der Militärcamps suchen. Rausgehen und mit den Leuten sprechen bleibt die Maßgabe der Befehlshaber an ihre Soldaten - solange das noch geht.
Tapferes Festhalten am einmal eingeschlagenen Weg demonstriert auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). Die zivile Wiederaufbauhilfe müsse fortgesetzt werden, sagt sie vom fernen Berlin aus.
Immer noch möglich bleibt, dass die Entführung der zwei Deutschen eigentlich ihren afghanischen Begleitern gegolten hat. Unter den Geiseln war nämlich auch ein Bruder des einflussreichen Vize-Regierungssprechers Arif Noorzai. Der stammt aus der Region Helmand und gehört einem einflussreichen Paschtunenstamm an. Arif Noorzai ist für den Geheimdienst kein Unbekannter. Er gilt als einer der sogenannten Drogen-Fürsten, die ihre politischen Kontakte nutzen, um massiv an dem milliardenschweren Geschäft mit afghanischem Opium mitzuverdienen. Allerdings: Warum ließen die Kidnapper Noorzai wieder frei? Auch dafür gibt es bei den Hindukusch-Händeln eine Erklärung. Möglicherweise soll er in den weiteren Verhandlungen mit der deutschen Seite Lösegeld aushandeln, eine hübsche Provision nicht ausgeschlossen.

Quelle: Pressemitteilung Westfalen-Blatt

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