Lausitzer Rundschau: Die politische Dauerkrise in Warschau
Archivmeldung vom 04.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs wird wieder heftig über Neuwahlen in Warschau spekuliert. Aber ob die Gebrüder Kazcynski den Weg frei machen, bleibt auch nach den jüngsten Manövern eine offene Frage. Nicht nur Polen, ganz Europa hat inzwischen gelernt, mit der Unberechenbarkeit der Zwillinge zu leben.
Ohne die jedenfalls geht bis auf Weiteres nichts im Nachbarland. Das
Drittel der Sitze im Sejm, das von ihrer Partei besetzt wird, ist die
Sperrminorität, die laut Verfassung einen vorgezogenen Wahltermin
verhindern kann. Und die Brüder haben einiges zu verlieren, denn alle
Umfragen versprechen ihnen gehörige Stimmenverluste und vor allem
einen Verlust der bisherigen Machtposition.
Das Ende der abenteuerlich zusammengeschusterten
Regierungskoalitionen wäre dann allerdings auch ein Abschied von der
insbesondere in Deutschland weitverbreiteten Illusion, die
Schwierigkeiten mit dem Nachbarn seien vor allem ein Produkt eines
unglücklichen Wahlausgangs, der unbedingt und ohne große Mühe
korrigiert werden kann. Tatsächlich aber wird die politische
Landschaft in Polen weniger von den extremen Rändern und von
Splittergruppen bestimmt als vielmehr vom Fehlen einer starken,
einigen bürgerlichen Mitte. Insofern unterscheidet sich das Land nur
wenig von manchem seiner mittelosteuropäischen Nachbarn. Die
krisenhaften Erscheinungen sind ja auch nicht auf Warschau beschränkt
- das Regieren ist in Prag oder Budapest ähnlich kompliziert
geworden. Man muss den Kazcynskis im Gegenteil zugestehen, dass sie
ihre fragwürdigen Koalitionspartner bislang mit erstaunlichem
Geschick zur faktischen Bedeutungslosigkeit schrumpfen ließen.
Ein Neuanfang in Polen wird also weniger vom Wahltermin abhängen, als
vielmehr von der Auseinandersetzung innerhalb der politischen
Gruppierungen, die nicht zu den Nachfolgern der einstigen Kommunisten
zählen. Der tatsächliche Machkampf tobt zwischen den Kräften, die ein
modern ausgerichtetes Land wollen, und den Traditionalisten, die
darauf verweisen, dass Polen nur im Beharren auf seine Besonderheiten
überlebte.
Keine dieser beiden zerstrittenen Strömungen will mit der
postkommunistischen Sammelbewegung der alten Kader koalieren. Und
somit ist auch ein neuer Sejm noch lange kein Garant für eine klare
Regierungsmehrheit.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau