Gold in Zeiten der Bubble
Archivmeldung vom 13.02.2021
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.02.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttDie Finanzmärkte befinden sich dank der geldpolitischen Corona-Maßnahmen der Notenbanken im Zustand der "Everything Bubble": Fast überall kennen die Notierungen nur eine Richtung, nämlich nach oben. Die Aktienmärkte notieren auf Allzeithochs, obwohl die Realwirtschaften mit Ausnahme Chinas und anderer asiatischer Länder immer noch am Boden liegen. Die Immobilienmärkte boomen, bei den Kryptowährungen ist der letzte Rest an Rationalität verloren gegangen und die Zinsen sind weiterhin extrem niedrig.
Insofern sind die Erwartungen der Investoren, die verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten für die Geldflut der Notenbanken suchen, an sämtliche Asset-Klassen hoch. In diesem Umfeld ist die Entwicklung des Goldpreises auffällig. Zwar hat das gelbe Metall im August ein Allzeithoch von rund 2 064 Dollar markiert. Seither ist der Preis aber wieder gesunken und im Spätherbst kurzzeitig sogar unter die Marke von 1 800 Dollar gerutscht. Aktuell befindet er sich mit 1 817 Dollar nur wenig oberhalb davon. Im Euro ist die Entwicklung ähnlich.
Dies sorgt allgemein für Verwunderung, weil die vorgebrachten Argumente für eine enorme Rally des Goldpreises, die schon längst hätte einsetzen müssen, genauso viel oder wenig stichhaltig sind wie die fundamentalen Rechtfertigungsgründe für die enormen Anstiege bei anderen Anlageobjekten.
In erster Linie ist es bei Gold das Argument, dass die enormen Liquiditätshilfen der Notenbanken zu einem starken Anstieg der Inflation führen werden, sobald die Corona-Krise mit Hilfe der zügig umgesetzten Impfkampagnen ausgestanden ist. Gold ist bekanntlich das klassische Absicherungsinstrument gegen hohe Inflation - wie es auch Immobilien sind, deren Preise derzeit enorm anziehen.
Zwar könnte es zu einem gewissen Anstieg von Inflation und damit der Zinsen kommen, auch wenn es aufgrund der Unfähigkeit der EU-Bürokraten und der fehlenden Vergabe von Lizenzen für die Impfstoffproduktion durch weitere Pharmaunternehmen keine zügige Umsetzung der Impfkampagnen gibt. Dieser Anstieg wird sich jedoch in engen Grenzen halten. Zwar haben die Notenbanken die Geldmenge stark ausgeweitet. Deflationär wirken aber die sinkenden Gewinne in weiten Teilen der Realwirtschaften sowie die in der Krise zurückgehenden Arbeitseinkommen, wobei davon auszugehen ist, dass diese Auswirkungen der Krise noch lange zu spüren sein werden. Darüber sollte der Höhenflug der Aktienmärkte, die sich weit von den fundamentalen Gegebenheiten entfernt haben, nicht hinwegtäuschen. Gold ist auch eher als ein Instrument zum Schutz von Vermögenswerten in Währungskrisen zu sehen, wenn es zu einer Hyperinflation kommt. Ein zu erwartender leichter Anstieg der Geldentwertung wird wohl keine Flucht in Gold auslösen.
Andererseits lässt sich aber argumentieren, dass das gegenwärtige Ultraniedrigzinsumfeld für den Goldpreis eigentlich förderlich sein sollte, weil die Opportunitätskosten der Anlage in das nicht verzinsliche Edelmetall derzeit extrem niedrig sind. Dies ist zweifellos richtig und ja auch zu beobachten: Um die Jahrtausendwende lag der Goldpreis noch bei ungefähr 250 Dollar.
Warum aber kommt es denn nun nicht zu einer neuen Rally des Goldpreises in bisher unerreichte Dimensionen? Viele Analysten tun sich mit der Erklärung dieses Phänomens schwer. Ein Erklärungsansatz könnte sein, dass die physikalische Nachfrage nach Gold - sowohl in der Industrie wie auch durch private Haushalte - immer noch unter der Krise leidet. So ist die globale Goldnachfrage 2020 erstmals seit elf Jahren unter 4 000 Tonnen gefallen. Allerdings ist das Spiel von Angebot und Nachfrage von physikalischem Metall nur einer von mehreren Faktoren, die den Goldpreis bestimmen, und angesichts des hohen Anteils von nicht metallgebundenen Transaktionen nicht unbedingt der wichtigste.
Letztlich liegt die Erklärung für das Ausbleiben der erwarteten Goldrally wohl im gegenwärtigen Desinteresse vieler spekulativer Finanzanleger. Der zuvor positive Trend bei den von Goldfonds gehaltenen Metallmengen hat sich bereits im November umgekehrt.
So gesehen lässt sich argumentieren, dass die enorme Hausse bei Aktien, aber wohl auch bei Kryptowährungen wie Bitcoin auf Kosten der Entwicklung von Gold geht. Dies kann sich natürlich jederzeit wieder ändern, wenn irgendein Ereignis das Interesse der Finanzanleger in Gold neu belebt und den bekannten Herdentrieb auslöst.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Dieter Kuckelkorn