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"DER STANDARD"-Kommentar: "Ein Schuss ins Knie"

Archivmeldung vom 15.03.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.03.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wenn man die Staatsanwaltschaft ungehindert arbeiten lässt, dann gibt es bald keine Politiker mehr, die im Untersuchungsausschuss unbescholten sitzen können. Diese bemerkenswerte Behauptung stellte niemand geringerer als ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf auf. Im Original, in der Zeit im Bild 2, hörte sich das so an: "Wenn es so einfach ist, einen Abgeordneten zu einem Beschuldigten durch die Staatsanwaltschaft zu machen, dann sitzen wir bald ohne Abgeordnete im Untersuchungsausschuss."

Aber die Gefahr ist ohnehin gering, denn die ÖVP will nicht einmal Werner Amon aus dem Untersuchungsausschuss zurückziehen. Dabei handelt es sich um mehr als eine schlechte Optik, dass Amon weiter in jenem Parlamentsausschuss sitzt, der Vorwürfe in Zusammenhang mit der Telekom aufklären soll. Als Beschuldigter, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Telekom-Zahlungen ermittelt, müsste sich Amon für befangen erklären, wenn ihn schon nicht sein Partei- oder Fraktionschef zurückzieht. Als Mitglied dieses Gremiums hat er Zugang zu allen Dokumenten. Amon ist noch dazu VP-Fraktionschef im Ausschuss. Wie will er künftig in dieser Funktion öffentlich auftreten? Was passiert, sollte er als Zeuge geladen werden? Wechselt er dann einfach die Tischseite und befragt sich selbst? Er sollte sein Amt im Untersuchungsausschuss ruhend stellen, bis die Vorwürfe geklärt sind. Es ist auch unerheblich, wie hoch die Summe ist, um die es geht: ob es nun 10.000 Euro sind (wie im Fall Amon) oder 100.000 Euro (im Fall Strasser). Tatsache ist, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wer eine weiße Weste hat, kann die Staatsanwälte in Ruhe ihre Arbeit tun lassen. Für jede Leistung gibt es normalerweise eine Gegenleistung und einen Beleg. Dass sich gleich eine ganze Werbebeilage nicht finden lässt, für die Zahlungen geflossen sein sollen, verwundert. Dass der Verdacht ausgeräumt wird, hier könnte es sich um eine verdeckte Parteienfinanzierung handeln, müsste auch im Interesse der ÖVP liegen. Es überrascht nicht nur die Vehemenz, mit der der ansonsten durchaus besonnen argumentierende Kopf seinen Parteifreund Amon verteidigt. Er wirft der Staatsanwaltschaft vor, sie würde Amon "mundtot machen" , weil dieser Ermittlungsfehler im Fall Kampusch kritisiert hat. Dabei handelt es sich - um mit Justizministerin Beatrix Karl zu sprechen - um "Verschwörungstheorien". Dass sich just die unter Druck geratene ÖVP-Politikerin "jede Einmischung von außen" - also jene ihres Parteifreundes - "verbittet", ist ein pikantes Detail. Denn Karl will die Rolle der Staatsanwälte im Rahmen der Reform der Strafprozessordnung stärken. Das hat sie im Gegensatz zur geplanten Aufweichung des Berufsgeheimnisses nicht zurückgenommen. Ausgerechnet dieser Berufsgruppe spricht nun der ÖVP-Fraktionschef öffentlich das Misstrauen aus. Alle Parteien sollten aus den bisher bekannt gewordenen Vorwürfen Konsequenzen ziehen. Die SPÖ kann sich nicht einfach abputzen, da die Staatsanwaltschaft gegen einen ihrer Abgeordneten - Kurt Gartlehner - wegen einer Hochegger-Zahlung von rund 100.000 Euro ermittelt. Es muss endlich eine Pflicht zur Offenlegung von Zahlungen geben - inklusive Kontrolle und Sanktionen. Das ist im Interesse der Parteien, dann kommt von vornherein so mancher Verdacht nicht auf.

Quelle: Der Standard (ots)

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