Zum SPD-Parteitag kommentiert die Leipziger Volkszeitung
Archivmeldung vom 15.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEinen Mechaniker hat sich die SPDan ihre Spitze gesetzt. Das ist, nach den Ausflügen in die Basta- und in die Ossi-Welt mit den Herren Schröder und Platzeck, eine Rückkehr auf den Boden der Wirklichkeit. Die Sozialdemokraten sind damit auf den Beck gekommen.
Das ist möglicherweise das Beste, was ihnen zurzeit
passieren konnte. Frei von allürenhafter intellektueller
Überheblichkeit und befreit von krampfhafter Modernisierung um der
Modernisierung willen trauen sich die Sozialdemokraten wieder,
Sozi-deutsch zu reden.
Früher galt einmal das Defensivrezept für die Politik: Bloß keine
Experimente. Mit dem Genossen aus dem Südwesten ist die SPDzunächst
einmal auf der sicheren Seite. So wie Beck spricht ein Sozi, denkt
ein Sozi, sieht ein Sozi aus. Und er hat sogar eine Wahl gewonnen,
was schon lange keinem Sozialdemokraten mehr gelang. Es wäre
allerdings tollkühn zu vermuten, damit sei schon geklärt, wer in
Zukunft gewinnt. Aber es ist in gewisser Weise mutig, dass der neue
Vorsitzende nicht den Eindruck erweckt hat, er könne die Welt, ihre
Probleme und den Weg in die bessere Zukunft erklären. In der
Bescheidenheit liegt die Kraft. Denn, ehrlich gesagt, ist damit
derzeit jeder Vorsitzende der Bundestagsparteien überfordert.
Ob ein deutscher Bundeskanzler einmal Kurt Beck heißen wird, ist
heute so wahrscheinlich wie die Aussicht der deutschen Nationalelf
auf den WM-Titel. Ohne Glück, ohne geschlossene Mannschaftsleistung,
ohne harte Arbeit und ganz sicher nicht ohne Rückbesinnung auf gute
alte Tugenden wird nichts gehen. Doch die entscheidenden Fehler muss
der Gegner machen, sonst hat die SPD-Truppe kaum Siegeschancen. Aber
einen Vorteil hat die Sozialdemokratie mit ihrem unscheinbar netten
Kurt Beck als Spielführer:Unterschätzen sollte den und seine
Motivationskünste niemand. Die Linken in der eigenen Partei ebenso
wenig wie die Union in der großen Koalition. In Sachen
Machtbewusstsein kann es der Pfälzer mit der alten Walz aus der
Pfalz, Helmut Kohl, locker aufnehmen.
Wenn er das Gleiche in bescheidener Form und stets unter Wahrung
aller rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien versucht, dann
würde er sich nicht nur von seinem Pfälzer Landsmann abheben, sondern
er könnte damit auch für Angela Merkel gefährlich werden. Bleibt bloß
die Frage, wie sozialdemokratische Politik mit Kurt Beck in Zukunft
ganz konkret aussehen wird? Diese Antwort bleibt die SPDauf ihrem
Sonderparteitag schuldig. Es sei denn, man nimmt die entscheidende
Botschaft positiv auf:Beck ist einer, der nichts kaputt macht.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung