Börsen-Zeitung: Rückschläge zu befürchten
Archivmeldung vom 09.08.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWie sich das Bild an den Märkten in kurzer Zeit gewandelt hat: Der Euro ist am Freitag fast bis auf 1,50 Dollar gerutscht. Die Gemeinschaftswährung befindet sich damit auf dem tiefsten Stand seit fünf Monaten. Der Ölpreis setzt seine Talfahrt fort, er war zeitweise bereits unter 116 Dollar je Barrel angekommen.
In einem solchen Umfeld geht es dem Aktienmarkt gut. Der schwächere Euro verbessert die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt und damit die Exportaussichten der Konzerne, was Rückwirkungen auf deren Ertragslage haben sollte.
Der starke Dollar kompensiert zwar einen Teil der Einsparungen durch die niedrigeren Energie- und Rohstoffkosten. Unterm Strich bleibt aber dennoch ein deutlich positiver Effekt übrig. Dementsprechend hat sich der Dax vorerst oberhalb von 6500 Punkten etabliert, vor etwa einem Monat noch hatte die Gefahr bestanden, dass er unter 6000 Zähler rutschen könnte.
Der Euro hat binnen eines Monats rund 10 US-Cent eingebüßt, er befindet sich damit fast schon im freien Fall. Für die jüngsten Verluste ist zumindest vordergründig Jean-Claude Trichet verantwortlich. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte auf einer Pressekonferenz im Anschluss an die Zinssitzung des EZB-Rats am Donnerstag eingeräumt, dass sich die konjunkturellen Aussichten für die Eurozone deutlich eingetrübt haben. Darüber hinaus ließ er durchblicken, dass der EZB-Rat derzeit eine neut rale Position einnimmt und weder zu einer Senkung noch zu einer Anhebung des Leitzinses tendiert. Die Notenbank ist derzeit also offensichtlich besorgter wegen der konjunkturellen Lage als noch vor wenigen Wochen.
Eine echte Überraschung stellen die Trichet-Äußerungen freilich nicht dar. Dass sich das Wirtschaftswachstum auch in Europa abschwächt, sollte mittlerweile geläufig sein. Und dass es sich die EZB angesichts der immer noch erheblichen Inflationsgefahren kaum leisten kann, mit einer Drehung an der Zinsschraube für einen gewissen konjunkturellen Schub zu sorgen, müsste inzwischen eigentlich auch Allgemeingut sein. Dass die Reaktion am Devisenmarkt dennoch so heftig ausfällt, darf also als erstaunlich bezeichnet werden - obwohl negative Mak rodaten aus Europa und positive aus den USA als weitere Faktoren eine Rolle spielten. Die von den USA ausgehende Finanzmarktkrise ist nämlich keineswegs überwunden, wie erst am Freitag der höher als erwartet ausgefallene Verlust bei dem US-Hypothekenrefinanzierer Fannie Mae deutlich macht. Die in den USA bestehenden Risiken sind noch längst nicht überschaubar. Insofern drängt sich der Eindruck auf, dass das Umfeld für die Aktienmärkte nicht so freundlich bleiben wird, wie es sich gegenwärtig darstellt. Beim Währungspaar Euro/Dollar ist damit zu rechnen, dass die Gemeinschaftswährung wieder aufholen wird - auch wenn das Momentum des Greenback noch eine kurze Zeit anhalten kann. Außerdem scheinen die Credit-Märkte neues Ungemach zu signalisieren: Während die Dividendentitel sehr freundlich tendierten, ist zu beobachten, dass die Spreads von Credit Default Swaps in Europa nach oben ausbrechen. Sollte es nachhaltig zu höheren Spread-Niveaus kommen, rechnen Analysten auch mit Rückschlägen am Aktienmarkt. Im Verlauf der Aktienmarktkrise hat sich der Credit-Markt als ein recht zuverlässiger Frühindikator erwiesen; so zeigte er den Rückschlag, der den Aktienmarkt im Frühjahr erwischte, vorher an.
Gerade mit Blick auf die vom Credit-Markt gesendeten Signale erscheint es unwahrscheinlich, dass der Aktienmarkt die jüngsten stattlichen Gewinne verteidigen kann. Zu befürchten ist vielmehr, dass es zu Rückschlägen kommt und dass der Dax in den kommenden Monaten seine Jahrestiefs noch einmal antesten wird, bevor es dann zu einer nachhaltigen Erholung kommen kann. Es ist nach wie vor davon auszugehen, dass es sich aktuell um eine Bärenrally handelt, also um eine begrenzte Aufwärtsphase in einem länger andauernden Abwärtstrend.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Dieter Kuckelkorn)