Lausitzer Rundschau: Das Doping-Geständnis des Ex-Telekom-Radprofis Bert Dietz
Archivmeldung vom 23.05.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEndlich hat ein deutscher Radprofi ausgepackt. Endlich ist an der Öffentlichkeit, was Insidern des Profiradsports längst klar war und was Hunderttausende Fans - auch eines Jan Ullrich - geahnt, aber nie wahr haben wollten: Doping ist offenbar auch beim Team Telekom über Jahre mitgefahren.
Und hat den deutschen
Vorzeige-Rennstall in der Weltspitze, an werbewirksame Positionen des
Feldes bei Tour de France oder Giro d'Italia und letztlich auf das
Siegerpodest gebracht - so wie es Sponsoren von den Assen erwarten.
Der Leipziger Radprofi Bert Dietz hat Montagnacht mutig - ohne
Rücksicht auf die für ihn nicht abzuschätzenden Folgen - reinen Tisch
gemacht. Fazit: Seit Mitte der 90er-Jahre wurde Epo für ihn zur
Grundausstattung im Rennalltag - verabreicht von den inzwischen
suspendierten Telekom-Ärzten. Dabei vermied es Dietz, der einst zu
den Edelhelfern von Bjarne Riis oder Jan Ulrich gehörte und selbst
eine Vuelta-Etappe nach einer spektakulären Alleinfahrt gewann, mit
dem Finger auf andere zu zeigen. Aber er hat von dem Frust - und
damit vielleicht auch von dem Motiv für die Doping-Einnahme -
gesprochen, wenn Jahr für Jahr zwanzig bisher unbedeutende Spanier
oder Italiener wieder in die Profispitze vorgestoßen sind und das
eigene harte Training ohne Erfolg geblieben war. Nach der Lesart von
Bert Dietz, der als hochbegabter Amateur zu den Profis gewechselt war
und dort zunächst - wie viele andere - gnadenlos abgehängt wurde, ist
es selbst für ein Jahrhunderttalent wie Jan Ulrich unmöglich, die
Tour de France nur mit Wasser und Brot zu gewinnen. So abwegig ist
die Schlussfolgerung nicht. Und vor diesem Hintergrund erhellt sich
auch Jan Ulrichs Aussage beim viel zu frühen Abschluss seiner
Karriere, dass er nie jemanden betrogen habe. Weil in diesem Metier
offensichtlich niemand betrogen werden kann. . .
Das Doping-Geständnis von Bert Dietz erneut als die Beichte eines
schwarzen Schafes abzutun, wäre töricht. Auch wird der deutsche
Radsport das Problem nicht für sich allein lösen. Wenn die Führung
des Teams T-Mobile inzwischen für seine Renner die Hand ins Feuer
legt, dann wird es wohl auch damit leben müssen, auf den Tour-Etappen
hinauf nach Alp d'Huez oder über den Col de la Madeleine oder in den
spanischen Pyrenäen gezeigt zu bekommen, wo die Unterschiede liegen.
Deshab ist der Weltradsportverband gefordert. Er sollte den Fall
Dietz ernsthaft zum Anlass nehmen, sich endlich zu einer Amnestie für
alle Dopingsünder durchzuringen. Bis zu einem Stichtag könnte jeder -
ob Rennfahrer, Trainer, Betreuer oder Arzt - die Chance haben,
auszupacken. Ohne, dass Tour-Siege oder Weltmeistertitel aberkannt
werden. Ohne, dass berufliche Konsequenzen zu befürchten wären. Und
nach dem Tag X müssten die Dopingstrafen drastisch erhöht werden.
Damit würde sich die Chance bieten, endlich die Mauer des Schweigens
zu brechen und den Dopingsumpf im Profiradsport trockenzulegen.
Amnestie statt Strafverfolgung - der Versuch ist es wert.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau