Lausitzer Rundschau: Die USA nach den Wahlen zum Kongress - Der torkelnde Riese
Archivmeldung vom 09.11.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlIn der Nacht zu gestern ging sie zu Ende, die Präsidentschaft des George W. Bush. Was auch immer in den nächsten beiden Jahren noch passieren mag, der Mann im Weißen Haus ist tatsächlich nicht länger das, was seine Landleute "in charge" nennen. Er gibt nicht mehr den Ton an.
Im Abgeordnetenhaus haben die
Demokraten deutlich und nach zwölf Jahren zum ersten Mal wieder
gewonnen. Im Senat mag es vielleicht mit den bekannten Wahltricks
doch noch eine republikanische Mehrheit geben. Aber die nützt dem
Präsidenten aus Texas schon deswegen wenig, weil einige seiner
dortigen Parteifreunde jetzt in den Kampf um seine Nachfolge ziehen.
Dabei werden sie sehr genau darauf achten, möglichst viel Distanz zu
gewinnen zu einem Mann, den die Mehrheit der Amerikaner am liebsten
heute noch nach Hause schicken würde.
Da er aber bleibt, torkelt die von sechs Bush-Jahren gezeichnete
Supermacht noch einige Zeit orientierungslos durch die Gegend. Erst
die nächste Wahl in zwei Jahren kann zu einer tiefgreifenden
Neuausrichtung der Politik in Washington führen. Die wird, so
jedenfalls lautet das Votum der Wähler, überfällig. Die Angst vor dem
Terror ist dem Misstrauen gegenüber den scheinbar so klaren,
einfachen Wahrheiten des George W. Bush gewichen.
Für Europa bietet der Ausgang des Urnengangs zunächst nur die
Gewissheit, die schlimmsten der bösen Überraschungen hinter sich zu
haben. Es wäre allerdings ein Armutszeugnis für die Politiker auf
diesem Kontinent, wenn es dabei bliebe. Sie haben jetzt in Washington
wieder durch Wahlen legitimierte Ansprechpartner, die nicht nur
zuhören können, sondern auch mitentscheiden. Und Europa wird sehr
wohl dazu beitragen können, aufzuräumen mit den schlimmsten
Auswüchsen eines arroganten Alleinvertretungsanspruchs.
Nötig dafür ist eine halbwegs abgestimmte Agenda im Umgang mit diesem
hilflosen Riesen. Dafür bedarf es der Abstimmung diesseits des
Atlantiks bei solch heiklen Fragen wie dem Irak. Und es bedarf klarer
Prioritäten in der EU. Die deutsche Präsidentschaft wird mehr noch
als bislang geglaubt auch zur transatlantischen Herausforderung.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau