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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum schilderlosen Bohmte

Archivmeldung vom 23.06.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.06.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Klare Regeln vereinfachen das Leben. Das gilt auch im Straßenverkehr. Vorfahrt- und Stoppschilder verhindern Unfälle und Anarchie. Diese weithin für selbstverständlich gehaltene Überzeugung gerät gerade ins Wanken.

In der Gemeinde Bohmte bei Osnabrück läuft seit einem Monat ein für die ordnungsliebenden Deutschen schier unglaubliches Experiment: An der Hauptverkehrsstraße gibt es keine Verkehrsschilder, Ampeln und Bürgersteige mehr. »Shared Space« heißt das Projekt der Europäischen Union, bei dem die Diktatur der Schilder durch die Höflichkeit der Verkehrsteilnehmer ersetzt werden soll. Shared Space heißt Raum für alle. Durch den Wegfall von Regeln soll Rücksicht gefördert werden. Das von dem Niederländer Hans Monderman ersonnene Konzept setzt auf Unsicherheit für den Einzelnen, die letztlich zu mehr Sicherheit für alle führen soll. Heißt konkret: Ohne Ampel fahre man langsamer in die Kreuzung hinein und verständige sich per Handzeichen, damit nichts passiert. So weit die faszinierend klingende Theorie. Ob Bohmte ein Modell für Deutschland wird, muss allerdings bezweifelt werden. Da sind zum einen die Kosten. Ein gemeinsamer Verkehrsraum für Autofahrer, Radler und Fußgänger erfordert aufwändige Umbauten wie eine einheitliche, durchgehende Pflasterung aller Flächen. Das kostet bundesweit Milliarden Euro - Landkreise, Städte und Gemeinden würden Zeter und Mordio schreien. Schließlich ist es nicht damit getan, Verkehrsschilder abzumontieren und einzumotten. Demokratie im Straßenverkehr hört sich nett an, kann aber allenfalls für Gemeinden und Kleinstädte und dort nur in einzelnen Vierteln empfohlen werden. Die Erfahrungsberichte aus den sieben Shared-Space-Projekten in Belgien, England, Holland und jetzt Deutschland sind viel zu dünn, als dass dieses Konzept mit ruhigem Gewissen auf Straßen mit hohem Durchgangs-, Einkaufs- und Schülerverkehr ausgeweitet werden könnte. Hier per se Rücksichtnahme vorauszusetzen, wäre leichtfertig, schließlich gibt es genug Rabauken auf unseren Straßen. Hinzu kommen die von Alkohol oder Drogen Benebelten: Hier ist das Rotlicht der Ampel noch am ehesten in der Lage, ins Bewusstsein zu dringen. Dass es nicht völlig ohne Vorgaben geht, weiß man auch in Bohmte. Dort gilt, bei aller Höflichkeit, rechts vor links. Das Verkehrsexperiment in Niedersachsen sollte nicht überbewertet, sondern als Ansporn verstanden werden, den Schilderwald so weit wie möglich zu lichten. Da ist einiges möglich, wie der ADAC 1998 in der Kleinstadt Schwelm vorexerzierte: Jedes dritte Schild wurde entfernt, ohne dass die Sicherheit gelitten hätte. Im Gegenteil: Ein Zuviel an Information überfordert Verkehrsteilnehmer, wissen Psychologen. Das rechtfertigt aber keineswegs Tabula rasa, und deshalb darf Bohmte nicht das Ende von Vorfahrt- und Stoppschildern einleiten, denn sie werden zu unser aller Schutz weiter gebraucht.

Quelle: Westfalen-Blatt

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