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Westdeutsche Zeitung: Georgien

Archivmeldung vom 19.08.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.08.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Was wären wir über Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hergefallen, wenn er es gewagt hätte, der Bundeskanzlerin derart in die Parade zu fahren, wie sie es nun umgekehrt getan hat.

Ihr Hinweis bei ihrem Georgien-Besuch, das Land könne, wenn es wolle, Nato-Mitglied werden, war ein Fehler. Während Sarkozy als EU-Ratspräsident bemüht ist, die Balance zwischen den Konfliktparteien im Kaukasus zu halten, hat Angela Merkel dem aggressiven georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili ein unverhofftes Geschenk gemacht. Er hat in einem Anflug umfassbarer Selbstüberschätzung offenbar auf zivile Ziele schießen lassen und sein Land in einen Krieg getrieben, den nur einer gewinnen konnte: Russland. Und dafür soll nun, quasi als Belohnung, die Nato-Mitgliedschaft winken? Natürlich war es notwendig, Russland die rote Karte zu zeigen. Moskau ging es bei seiner maßlosen militärischen Reaktion weniger um Humanität als darum, Einflussbereiche zu sichern und - wo möglich - zu erweitern. Unbotmäßige Nachbarstaaten sollten eingeschüchtert werden. Die USA sollten begreifen, dass sie auf der Welt nicht nach Belieben schalten und walten können. Dass russische Truppen tief in Georgien einmarschiert sind, um nun vielleicht, ganz langsam und nach eigenem Ermessen, den Rückzug anzutreten, ist eine Demonstration imperialen Machtstrebens, das partnerschaftlichen Beziehungen zum Westen widerspricht. Es besteht kein Zweifel: Russland hat sein Ansehen damit, wie es US-Außenministerin Condoleezza Rice formuliert hat, ruiniert. Aber das gilt doch auch für Saakaschwilis Georgien. Und es ist noch gar nicht so lange her, da haben auch die USA ihr Ansehen ruiniert, als sie nämlich völkerrechtswidrig und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen den Irak angriffen. Das bleibt unvergessen. Deutschland sollte Seit' an Seit' mit den Franzosen Druck auf die Konfliktparteien ausüben, ohne einer Partei zu drohen. Eine Nato-Beitrittsperspektive für Georgien ist eine massive Drohung gegen Russland, die kein einziges Problem löst. Im Gegenteil: Künftige militärische Auseinandersetzungen wären geeignet, aus dem neuen Kalten Krieg zwischen der Nato und Russland einen heißen zu machen. Das ist Herr Saakaschwili nicht wert.

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Alexander Marinos)

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