Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Menschenrechte
Archivmeldung vom 09.12.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittChina ist wütend. Seine Regierung protestiert gegen die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Bürgerrechtler Liu Xiaobo und droht mit »ernsten Konsequenzen« für Länder, die morgen an der Zeremonie teilnehmen. Xiaobo sei ein Krimineller, der Friedensnobelpreis sei eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik.
Xiaobo sitzt wegen »Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt« für elf Jahre in Haft. Er hatte 2008 die »Charta 08« für Demokratie und Menschenrechte entworfen und wurde am 8. Dezember 2008 verhaftet. 18 Staaten haben inzwischen erklärt, keinen Vertreter nach Stockholm schicken zu wollen: Russland, Kasachstan, die Ukraine, Serbien, Kolumbien, Tunesien, Saudi-Arabien, Pakistan, der Irak, der Iran, Vietnam, Afghanistan, Venezuela, die Philippinen, Ägypten, Sudan, Kuba und Marokko. Die Liste dieser Länder entblößt den Stellenwert von Freiheit und Menschenrechte in den Staaten, die sich dem chinesischen Druck gebeugt haben. Angesichts des Boykotts lässt sich die Welt in zwei Lager einteilen - in Länder mit Schutz der Menschenrechte und Länder, in denen die Grundrechte einen niedrigen Stellenwert genießen. In Saudi-Arabien grassieren weiterhin Sklaverei, Leibeigenschaft und die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen; eine politische Opposition ist verboten. Kuba, wo »verfassungsfeindliche Tätigkeiten« mit Gefängnis bestraft werden, ist mehrfach von der UN-Menschenrechtskommission gerügt worden. In Russland ist der Zustand der Menschenrechte besonders kläglich: Willkürliche Inhaftierungen, Folter, außergerichtliche Hinrichtungen und Tötung von Journalisten sind nicht ungewöhnlich. In Brüssel wird man aufmerksam registrieren, dass auch Serbien, das immerhin einen EU-Beitrittsantrag gestellt hat, am chinesischen Boykott teilnimmt. Auch im Iran, im Irak und in Afghanistan gelten Menschenrechte wenig. Der offizielle Protest gegen den Friedensnobelpreis für Liu Xiaobo enthüllt erneut die prekäre Lage der Menschenrechte in China. Wieder ist die Welt damit beschäftigt, illegale Inhaftierungen, die Verletzung der Pressefreiheit und die massive Anwendung der Todesstrafe in China anzuprangern. Peking versucht, den Schaden durch die Verleihung eines eigenen »Friedensnobelpreises« zu mindern. Doch das ist nichts als Propaganda. Die USA, die EU und Japan haben in der Nobelpreisfrage den Schulterschluss praktiziert und der chinesischen Propaganda keine Chance gegeben. Dennoch wäre es zu wünschen, dass sich China langfristig in Richtung Freiheit, Demokratie und Menschenrechte entwickelt und somit zulässt, dass sich eine friedliche und konstruktive Beziehung zwischen China und den freiheitlichen Demokratien entwickeln kann. Die gemäßigten Dissidenten Chinas lassen hoffen, dass sich das Regime langfristig von innen erweichen lässt.
Quelle: Westfalen-Blatt