Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Bundestagswahl
Archivmeldung vom 26.09.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn am Sonntag um 18 Uhr die Wahllokale geschlossen werden, hat die Republik in knapp neun Monaten 17 Urnengänge hinter sich gebracht. Die Bundestagswahl ist Schluss- und Höhepunkt des Superwahljahres 2009. Parallel dazu werden zwei neue Landtage bestimmt. Der SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck dürfte in Brandenburg im Amt bleiben.
Offen ist, ob er weiter mit der CDU regiert oder mit der Linken koaliert. Mehr Spannung verspricht die Wahl in Schleswig-Holstein. Hier werden auch für die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat die Weichen gestellt. Kann der CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen doch noch mit der FDP gewinnen, hat Schwarz-Gelb bis zur NRW-Landtagswahl am 9. Mai 2010 eine Mehrheit in der Länderkammer. Das wäre kräftiger Rückenwind für eine mögliche Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP. Aber kommt es überhaupt zu Schwarz-Gelb in Berlin? Angela Merkel hat gute Chancen, Kanzlerin zu bleiben. Die Union muss deshalb nicht unbedingt zu den Siegern gehören. Die SPD wird kräftig verlieren. Trotzdem könnte sie in der Regierung bleiben. FDP, Grüne und Linke werden zulegen, doch was nützt es? Der Wahlabend wird spannend, mit Merkwürdigkeiten ist zu rechnen. Merkwürdig war auch der Wahlkampf. Zu selten ging es um Themen, oft schien das Etikett wichtiger als der Inhalt zu sein. Vor allem wollte im Herbst der größten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren keiner sagen, wie, wann und von wem die Zeche bezahlt werden soll. Allein das Ministerschweigen der Herren Steinbrück und zu Guttenberg in der Sendung »Anne Will« sprach Bände. Dieser Mangel an Ehrlichkeit ärgert die Wähler zu Recht. Er kann aber auch Anlass zur Selbstreflexion sein. Die Frage lautet: Wieviel Wahrheit wollen wir hören? Für weniger Subventionen sind alle. Nur möchte man selbst vom Streichkonzert verschont bleiben. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Wer so denkt, darf sich über das, was ihm erzählt wird, nicht wundern. Die Politik redet uns nach dem Mund, weil wir es so wollen - vielleicht nicht jeder Einzelne, wohl aber als gesamte Gesellschaft. Auch das erklärt, warum über Angela Merkels Backkünste und Frank-Walter Steinmeiers Fußballverein so groß berichtet wurde. Zur Verflachung der politischen Debatte tragen alle Teile der Gesellschaft bei, auch die Medien. Die Alternative lautet: Anstrengung für alle. Die Welt ist kompliziert, einfache Antworten gibt's selten. Politiker dürfen des Erklärens nicht müde werden. Sie müssen unangenehme Wahrheiten aussprechen. Wir Bürger müssen lernen, diese Wahrheiten auszuhalten. Wir müssen zuhören, verstehen und mitmachen wollen. Das Volk ist der Souverän, aber es muss auch souverän agieren. Wahlen sind dazu nicht die einzige Gelegenheit, aber eine wichtige. Wer nicht wählt, erreicht nichts und stärkt den Gegner. Deshalb: Geben Sie ihrer Stimme Ausdruck. Gehen Sie zur Wahl!
Quelle: Westfalen-Blatt