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Berliner Morgenpost: Die große Koalition regiert nicht mehr

Archivmeldung vom 13.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

In einem Jahr ist alles vorbei. Doch noch müssen CDU, CSU und SPD in der großen Koalition das Land zehn Monate gemeinsam regieren. Es ist zu erwarten, dass es zehn sehr lange und zähe Monate werden.

Einen Vorgeschmack darauf liefern die Parteien bereits. Kaum verkünden sie den Bürgern stolz, sie hätten endlich doch noch ein Problem vom Tisch geräumt, blasen sie auch schon wieder zum Rückzug. Eigentlich sollte vor den Landtagswahlen im Saarland, in Thüringen und Sachsen (alle am 30. August) und der Bundestagswahl (27. September) zumindest noch bis zum Frühjahr 2009 in Berlin ordentlich regiert werden. Doch nun ist Hessen dazwischen gekommen und die dortige Neuwahl im Januar. Ihr Ergebnis wird von den Parteien bereits als wichtiger Stimmungsindikator für die Erfolgsaussichten auch bei der Bundestagswahl eingestuft. Also wird der Wahlkampf vorgezogen, das gemeinsame Regieren früher als eigentlich geplant weitgehend eingestellt. Um die eigene Klientel vor unliebsamen Entscheidungen zu bewahren, andererseits den erhofften neuen Koalitionsaspiranten nicht über Gebühr schon vorab zu vergrätzen. Dafür liefern die Schwarzen und Roten in diesen Tagen gleich drei Belege. Kaum hatten die sich endlich auf einen Kompromiss zur Erbschaftssteuer geeinigt, melden sich die Bedenkenträger schon wieder zu Wort. In diesem Fall vor allem Abgeordnete aus der CSU. Sie kritisieren die Regelung einerseits inhaltlich (zu Recht, weil zu kompliziert und deshalb ein willkommenes Beschäftigungsprogramm für Juristen), andererseits aber auch aus Rücksicht auf die FDP. Der neue Koalitionspartner in München lehnt die Neuregelung strikt ab. Viel fataler und kennzeichnend für die derzeitige Stimmungslage innerhalb der großen Koalition sind die beiden anderen Rückzieher. Auf Druck aus der Partei und der Bundestagsfraktion musste die SPD- Führung die Koalitionsvereinbarung über den Einsatz der Bundeswehr auch im Innern brechen. Damit desavouierte sie nicht nur ihren Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Sie beugte sich auch dem linken Flügel in der eigenen Partei und nahm wahltaktisch vorausschauend Rücksicht auf den in Hessen wie im Bund ersehnten künftigen grünen Bündnispartner. Wiederum auf Druck der SPD währte der von der Koalition beschlossene steuerliche Kaufanreiz für neue Autos kaum 24 Stunden. Verlässliches Regieren stellt sich den Bürgern anders dar. Sie werden sich wie schon vor früheren Wahlschlachten auf Bundesebene wohl wieder damit abfinden müssen, dass die Parteien weniger die Interessen des Landes als vielmehr die ihrer eigenen Partei hinsichtlich der besten Chancen für den 27. September im Blick haben. Das ist in diesen Zeiten besonders bedenklich und gefährlich. Deutschland steht im Verbund mit der globalen Finanzkrise vor einer Rezession.

Quelle: Berliner Morgenpost

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