Mittelbayerische Zeitung: Bis zuletzt taktiert
Archivmeldung vom 25.08.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuf dem Rad war Lance Armstrong ein Meister der Taktik. Das Peloton kontrollierte der US-Amerikaner nach Belieben. Wer die Erklärung, die er nun veröffentlichte, als ein Eingeständnis seiner Schuld sieht, der irrt daher gewaltig. Es war ein typischer Armstrong, ein taktischer Angriff des erfolgsbesessenen Profisportlers, für den es bisher keine Grenzen gab.
Zu oft hatte der heute 40-Jährige der Öffentlichkeit und vor allem sich selbst bewiesen, dass er unverwundbar zu sein scheint. Mit 25 Jahren bezwang er den Krebs. Obwohl ihm die Ärzte nur eine Überlebenschance von nicht einmal 40 Prozent einräumten. Drei Jahre später gewann der Texaner sensationell zum ersten Mal das wichtigste Radsportrennen der Welt, die Frankreich-Rundfahrt. Armstrong ließ sechs weitere Siege folgen und krönte sich damit nicht nur zum König der Tour, sondern zum erfolgreichsten Radfahrer aller Zeiten. Berechtigte Zweifel an seinen Leistungen gab es von Anfang an, einen positiven Test jedoch nie. Werden Armstrong nun vor Gericht seine Siege aberkannt, wäre das kein Gewinn für den Radsport. Denn wem sollen die Titel zuerkannt werden? Die erfolgreichen Fahrer dieser Generation waren meist nicht nur einmal im Visier der Doping-Jäger - auch die deutschen Helden Jan Ullrich und Andreas Klöden. Ein Neuschreiben der Ergebnislisten wäre eine Farce und würde niemandem nützen. Zumal Doping kein alleiniges Problem des internationalen Radsports ist. Egal ob Leichtathletik, Skilanglauf, Biathlon, Tennis - viele Sportarten, in denen es Geld zu verdienen gibt, leiden darunter. Was in der ganzen Diskussion nicht vergessen werden darf, ist das soziale Engagement Armstrongs. Für seine Stiftung "Livestrong" sammelte er fast 500 Millionen Dollar, sein Sieg über den Krebs und die anschließenden Erfolge waren Inspiration für Millionen Kranker. "Ich werde nicht aufgeben, für diese Aufgabe zu kämpfen", schrieb Armstrong in seiner Erklärung. Hoffentlich lassen sie ihn auch.
Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)