Börsen-Zeitung: Halbherziger Schritt
Archivmeldung vom 27.06.2018
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Freigeschaltet durch André OttEs ist erst gut sieben Monate her, dass der neue GE-Chef John Flannery seine Zukunftspläne präsentierte und ankündigte, den Industriekonzern auf die Bereiche Luftfahrt, Energie und Medizintechnik zu konzentrieren. Seither ist einiges passiert. Das Management hat einen kräftigen Personalabbau in die Wege geleitet, Teile der Healthcare-IT veräußert und das Eisenbahngeschäft in einen Zusammenschluss mit dem US-Konzern Wabtec eingebracht. Zu Wochenbeginn folgte der Verkauf der Gasmotorensparte. Aus Sicht von Investoren war das aber zu wenig, wie der fortwährende Aktienkursverfall zeigt.
Nun geht Flannery den nächsten Schritt, und der kommt an der Börse besser an. Aus dem Drei- wird ein Zwei-Säulen-Konzept, bestehend aus dem Luftfahrtgeschäft und dem Energiebereich mit Kraftwerken und Erneuerbaren. Die zukunftsträchtige Medizintechnik gibt GE her: 80 Prozent von GE Healthcare werden via Spin-off an die eigenen Aktionäre weitergereicht und die restlichen 20 Prozent verkauft. Doch auch diese Neupositionierung wirkt letztlich halbherzig. Denn Flannery scheut vor der radikalen Lösung zurück, das Unternehmen zu zerschlagen.
So ganz kann sich GE offensichtlich noch nicht vom Mischkonzernmodell trennen, mit dem die in die Krise geratene Gruppe lange Jahre überaus erfolgreich war. Wenn es aber zutrifft, dass die jetzt angekündigte Verschlankung das Unternehmen stärker, transparenter und leichter steuerbar macht, dann gilt das erst recht bei einer Verselbständigung aller Kernsparten. Man sollte sich also nicht wundern, wenn das neue strategische Konzept mit gebührendem zeitlichen Abstand noch einmal überarbeitet wird. Denn die geschäftlichen Synergien zwischen Luftfahrt und Energie halten sich in Grenzen.
Auf die Cash-flows der vergleichsweise stabilen Healthcare-Sparte wird GE künftig verzichten müssen, während das derzeit schwache Kraftwerksgeschäft im Portfolio bleibt, was wohl mit der riesigen Installationsbasis zusammenhängt. Das hat Folgen für das Finanzprofil. Die Ratingagentur S & P stellt bereits eine Herabstufung in Aussicht. Begründung: Die Abspaltung verringert die geschäftliche Vielfalt und erhöht das Risiko, dass Gewinne und Mittelzuflüsse stärker schwanken als bisher. Rivale Siemens, der ähnlich wie GE die Diversifizierung stark zurückgeschnitten hat, war da weitsichtiger. Die Münchener haben das Gesundheitsgeschäft zwar ebenfalls als eigenständige Einheit an die Börse gebracht, aber die Mehrheit an der Sparte behalten.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Helmut Kipp