Westfalenpost: Es war schön! Deutschland hat bei der WM gewonnen
Archivmeldung vom 10.07.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAus, das Spiel ist aus. Schade, es war so schön! Von diesem unglaublichen Fußballsommer werden junge Fans noch ihren Enkeln erzählen. Die Geschichten haben alle einen fröhlichen Anfang und ein bewegendes Ende: "Dann lagen wir uns in den Armen und haben gefeiert, ein Glücksgefühl erfasste das Land."
Man stelle sich vor, da kehrt jemand aus der Fremde zurück: Er
erkennt seine Heimat kaum wieder! Das sollen die Deutschen sein, die
im Ausland als wenig lebensfrohe Menschen bekannt sind? Von Berlin
bis Dortmund erlebte man eine einzige Party. König Fußball veränderte
das Land. Hoffentlich ist nach dem Rausch nicht alles vorbei.
Oft ist schon über das WM-Phänomen des großen Miteinanders und über
das schwarz-rot-goldene Fahnenmeer geschrieben worden, auch an dieser
Stelle. Diese Wiederholung sollte erlaubt sein: Es waren Wochen zum
Genießen. Weil sich niemand ausgegrenzt fühlen konnte, weil Gäste und
Gastgeber Freunde in Freud und auch Niederlagen-Leid wurden.
Unerwartet aufschäumendes Nationalgefühl? Neuer Patriotismus? Man
sollte nicht zuviel hineindeuten in das Freudenfest auf Straßen und
Plätzen, in Stadien und Gärten. Die Menschen hatten ihren Spaß und
entdeckten die Fahne ganz unverkrampft als verbindendes Symbol. Sie
identifizierten sich mit der Nationalelf, die gezeigt hat, wie weit
man mit Teamgeist kommen kann.
Die Fans - und wer war das nicht? - zeigten Flagge. Nicht mehr, aber
auch nicht weniger. Dass die Rechten die großen Verlierer dieser
Weltmeisterschaft sind, ist ein wunderbares Ergebnis.
Deutschlandfahnen-Missbrauch hatte keine Chance.
Der Jubel am Samstag in Stuttgart und Sonntag in Berlin konnte
vergessen machen, dass die Klinsmann-Jungs "nur" Dritte geworden
sind. Auf die Gefahr hin, dass Sie den Schreiber einen Siegverderber
nennen: Eigentlich kann man ganz froh sein, dass es genau so gekommen
ist. Nicht auszuschließen, dass Weltmeister-Euphorie dem einen oder
anderen vielleicht zu Kopf gestiegen wäre. Und eine Steigerung der
Freude ist kaum möglich: Die Nationalelf hat viel mehr als das kleine
Finale gewonnen - die Herzen der Menschen!
Zur sportlichen Bilanz gehört sicher die Feststellung, dass nicht
alles Glanz war, was siegte. Nach der Demonstration munteren
Angriffsfußballs stand den Mannschaften nicht zuerst der Sinn.
Deutschland gehörte zu den positiven Ausnahmen. Weshalb die Frage
aller nationalen Fußballfragen - bleibt Klinsmann oder nicht? - fast
den Rang eines Staatsproblems bekommt. Wir würden uns freuen, wenn er
weitermacht. Und hätten Verständnis für den Ausstieg. Wenn es am
schönsten ist...
Sagen wir es so: Mit Klinsmann wäre die Vorfreude auf die WM in
Südafrika noch schöner.
Quelle: Pressemitteilung Westfalenpost