Neues Deutschland: zur deutschen AKW-Debatte
Archivmeldung vom 15.03.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Frohlocken über einen späten Sieg der Vernunft muss uns im Halse stecken bleiben. Nicht nur, weil der angesichts des japanischen Desasters viel zu teuer erkauft wäre. Auch, weil die regierungsamtliche deutsche Reaktion mit der vorläufigen Aussetzung der AKW-Laufzeitverlängerung unsere Intelligenz beleidigt - nachdem eilfertige Verharmlosungen nicht verfingen, die Experten wie Volk falschen Alarmismus zieh.
Ungeachtet massiver Proteste war die Kanzlerin, CDU-Chefin und Physikerin vor Monaten vor der Atomlobby eingeknickt und hatte leichten Herzens der Laufzeitverlängerung auch für schon schrottreife AKW grünes Licht gegeben. Nun hat sie mit Krokodilstränen in den Augen und den Landtagswahlen im Hinterkopf die Notbremse gezogen. Der Ausstieg aus dem Ausstiegs-Ausstieg folgt nicht der großen Einsicht, sondern jenem kleinkarierten Machtspiel, das Merkel immer öfter zu einer Hü-und-Hott-Politik treibt. Angesichts der drohenden Niederlage in Baden-Württemberg macht aber nicht nur sie eine - wie zu fürchten ist: nur vorübergehende - Metarmorphose durch. Da frisst auch der Atomlobbyist und CDU-Noch-Ministerpräsident Stefan Mappus Kreide, der unlängst noch den Bundesumweltminister aus der eigenen Partei zum Rücktritt aufgefordert hatte, weil der zaghafte Bedenken gegen längere Laufzeiten offenbarte. Selbst Abschaltungen sollen nun nicht mehr ausgeschlossen sein. Kernkraftgegner, die seit Jahren im Südwesten erfolglos darum kämpfen, müssen sich verwundert die Augen reiben. Sie dürfen sich auch freuen. Nur Mappus oder Merkel für geläutert halten, das dürfen sie nicht.
Quelle: Neues Deutschland