Die Sache mit der Rache Christenverfolgung in Nigeria
Archivmeldung vom 17.03.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.03.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIch finde Gewalt widerlich und das Zählen von Opfern ebenso. Das Rechtfertigen von Gewalt finde ich abscheulich und nichts liegt mir ferner als Gewalt, von wem auch immer sie verübt worden ist, zu rechtfertigen. Dennoch oder gerade deshalb kann ich mir einige Bemerkungen zur medialen Rezeption der Lage von Christen in Nigeria nicht verkneifen, geht es doch hier zumindest ansatzweise um die Rechtfertigung von Gewalt, durch eine voreilige und wie sich herausstellen wird völlig unbegründete Rede von Vergeltung bzw. Rache im Zusammenhang mit einem Massaker an Christen.
Ganz abgesehen davon, dass es ohnehin keinen guten Grund für Rache geben kann und die Vergeltung in der Ethik des Strafens eine zwiespältige Rolle ausfüllt, sind auch unten der Voraussetzung, Vergeltung bzw. Rache könne als legitime Strafaktion gelten, keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen, die eine solche Strafe fundierten.
Ausgangspunkte und Hintergründe. Sich Christen als Gewalttäter vorzustellen, fällt hierzulande im Allgemeinen leicht. Dazu reichen ein paar Stichworte: Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverbrennung, Bush, Nordirland, neuerdings auch Missbrauch. Auch wenn den Nutzern dieser Schlagwörter nicht immer klar zu sein scheint, was sich genau dahinter verbirgt (kaum jemand weiß etwa, dass gerade und nur durch die Inquisition der Hexenwahn in katholischen Gefilden zur Marginalie wurde, und noch viel weniger wissen, dass der erste Kreuzzug heute selbst von den Grünen, gemessen an deren Argumentation zum Kosovo-Krieg, als humanitäre Intervention eingestuft werden müsste), so reicht doch die schillernde Strahlkraft der Kampfbegriffe aus, um sich Christen als Opfer ein für alle mal aus dem Kopf zu schlagen.
Die Wirklichkeit sieht und jeder halbwegs redliche Mensch weiß das völlig anders aus. Seit Jahrzehnten tobt eine globale Christenverfolgung epochalen Ausmaßes, der bereits mehrere Millionen Christen zum Opfer fielen. 250 Millionen Christen erleiden derzeit erhebliche Nachteile wegen ihres Bekenntnisses. Sie werden in den Medien diskreditiert und diffamiert. Sie werden in der Schule verlacht und verspottet. Sie werden am Ausbildungsplatz bedrängt und belästigt. Sie bekommen keine Arbeit und werden bei der Vergabe öffentlicher Ämter benachteiligt. Einige von ihnen werden verhaftet, inhaftiert, versklavt, gefoltert und ermordet. Jedes Jahr sterben über 100.000 Christen, weil sie Christen sind. Klar, andere Menschen sterben auch infolge religiöser Gewalt. Doch Christen sind zu weit über 90% Opfer und zu weit unter 1% Täter religiös motivierter Gewalt.
Dennoch scheint es opportun, das allseits kolportierte Bild des Christen, der wegen seines Lebensentwurfs (Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverbrennung) verdientermaßen den Hass der Welt auf sich zieht, zu hegen und zu pflegen, wo es nur geht. Und auch dort, wo es eigentlich nicht mehr geht. Etwa in Nigeria. Zugegeben: Ich kenne mich nicht besonders gut aus in Nigeria. Ich weiß nur wenig über dieses riesige afrikanische Land. Menschen, die sich da besser auskennen, warnen vor einer schier undurchdringbaren Komplexität der Problemlage mit ihren wirtschaftlichen, politischen, ethno-sozialen und auch ökologischen Implikationen. Doch um die geht es mir hier nicht. Es geht mir um die Berichterstattung zum jüngsten Massaker an Christen in Nigeria, wie sie in deutschen Medien erscheint. Dafür reicht es erst mal aus, dass ich lesen kann.
Das Ereignis vom 7. März. Die Nachricht, die durch die Presse ging, lautet: Muslimische Nomaden haben in der Nacht zum 7. März drei christliche Dörfer in Jos (Nigeria) angegriffen. Dabei wurden binnen drei Stunden mehr als 500 Christen mit Macheten oder Äxten getötet und anschließend verbrannt.
Jeder Mensch stellt sich angesichts einer solchen Bluttat die Frage nach den Gründen. Auch die Berichterstatter der Online-Ausgaben von Tagesschau und Spiegel, zwei wirkmächtige deutsche Medienorgane. Die Tagesschau meint, es sei eine Vergeltungsaktion und beruft sich auf Mutmaßungen der nigerianischen Behörden. Der Spiegel meint, es sei offenbar ein Racheakt und beruft sich auf die Stellungnahme eines Menschenrechtlers namens Shehu Sani. Beide zusammen, Tagesschau und Spiegel, erwecken damit den Eindruck, als geschehe den Christen irgendwie ganz Recht.
Es kostet einige Mühe, die Vergeltungsthese kritisch zu hinterfragen. Eigentlich verlange ich von gutbezahlten Journalisten, dass sie diese Arbeit selbst erledigen und mir nicht einen halben Arbeitstag Recherchedienste aufnötigen, aber ich, der es genau wissen will, bin ja mit meinem Wahrheitsfimmel auch in gewisser Weise selber Schuld. So wie die massakrierten Christen.
Es stellt sich die Frage: Rache, Vergeltung wofür Was haben die Christen getan, dass man meint, sich so an ihnen genugtun zu müssen Nota bene: Unter zivilisierten Menschen sollte selbstverständlich Konsens herrschen, dass nichts ein solches Massaker im eigentlichen Sinne des Wortes rechtfertigt. Ich gehe dem Rache-Gedanken also im Sinne einer Erklärung für das, was geschah, nach ich bin dabei nicht auf der Suche nach einer Entschuldigung.
Die nigerianischen Behörden ein fragwürdiger Informant. Zunächst zum Informanten der Tagesschau, den nigerianischen Behörden. Das hört sich natürlich gut an: Behörde. Das klingt offiziell und unantastbar. Behörde, das ist der Hohepriester der säkularistischen Zivilreligion. Immerhin nutzt die Tagesschau den Konjunktiv. Was aber hängen bleibt, das ist Behörde.
Wer einen kritischen Blick auf die nigerianischen Behörden wirft, stellt fest, dass es die gleichen Behörden sind, die scheinbar kein Interesse haben, Christen zu schützen. In einer am Montag in der englischen Zeitung The Guardian veröffentlichten Stellungnahme klagte der Rat christlicher Kirchenführer, die in Jos stationierten Truppen seien benachrichtigt worden, als das christliche Dorf Dogo Nahawa von muslimischen Nomaden belagert wurde. Die Soldaten seien jedoch erst Stunden später in dem fünf Kilometer entfernten Dorf eingetroffen. Wir haben kein Vertrauen mehr in die Armee wegen ihrer Vorbehalte gegen Christen, heißt es in der Erklärung. Behörden, die von einer Armee gestützt werden, die Vorbehalte gegen Christen hat, sind ein denkbar schlechter Kronzeuge in Sachen Motivsuche. Wenn also die Tagesschau-Informanten jene Behörden sind, die nicht eingreifen lassen, wenn Frauen und Kinder abgeschlachtet werden, dann stellt sich nicht nur die Frage, was die behördliche Vermutung, es habe sich um Vergeltung gehandelt, wert ist, sondern vor allem: Warum schluckt die Tagesschau eine solche Angabe, ohne jeden kritischen Kommentar Hätte man am 9. November 1938 bei deutschen Behörden angefragt, warum plötzlich so viele Synagogen brennen, wäre die Antwort auch gewesen: Vergeltung Mir fällt jetzt gerade keine Bezeichnung für einen Journalisten ein, der angesichts dieser Auskunft gesagt hätte: Ach so Naja, dann.
Vergeltung Die Ereignisse vom Januar. Doch was hat es mit der Vergeltung auf sich Wir erinnern uns: Es sind nicht nur die Behörden gewesen, die von Vergeltung sprachen, sondern auch der Menschenrechtler Shehu Sani. Er bezeichnete das Massaker als Racheakt für die religiös motivierte Gewalt in Jos, durch die im Januar etwa 300 Menschen starben, die meisten von ihnen Muslime.
Was war los im Januar Wir erfahren es in mehreren Texten im Spiegel. Genauer gesagt: Wir erfahren eigentlich nichts genaues. Doch der Reihe nach.
Am 22. Januar meldete der Spiegel: Christen und Muslime tragen im Herzen Nigerias einen blutigen Religionskrieg aus Hunderte wurden in den vergangenen Tagen in der Stadt Jos massakriert. Wieder stellen sich Fragen: 1. Wer sind die Opfer 2. Wer sind die Täter Und vor allem 3. Was war hier der Auslöser
Nachdem sich der Spiegel am 19. Januar im Hinblick auf die Ursache noch sicher war (Der Streit entzündete sich am Bau einer Moschee in einem mehrheitlich christlichen Gebiet in Plateau.) rudert er drei Tage später zurück und behauptet: Was das Gemetzel am vergangenen Sonntag ausgelöst und wer wen provoziert hat, blieb unklar. Noch einmal: Es blieb unklar. Hinsichtlich der Schuld- und damit auch der Strafbarkeitsfrage sind die Absichten entscheidend, nicht etwa die Konsequenzen. Die Stoßrichtung unseres Strafrechts ist intentionalistisch, nicht konsequentialistisch. Wenn also Vergeltung (Tagesschau) bzw. Rache (Spiegel) als Strafe in Frage kommen soll, dann sollte die Schuld erwiesen sein. Diese zeigt sich in der Absicht. Dazu muss auf den Anlass der Gewalt geschaut werden, nicht auf die Folgen. Die Zahl der Toten auf welcher Seite auch immer sagt nichts aus über Ursachen oder Gründe.
Der Spiegel spekuliert trotz der Unklarheit, die auch andere Medien einräumen müssen über drei mögliche Gewalt-Auslöser: Eine Version der Geschichte: Militante Muslime hätten Christen nach dem Sonntagsgebet aufgelauert. Andere Quellen besagen, der Streit habe begonnen, als christliche Jugendliche in ihrem Viertel gegen einen Muslim vorgegangen seien, der versucht habe, sein bei Unruhen 2008 niedergebranntes Haus wieder aufzubauen. Und wieder andere sagen, es sei um den Bau einer Moschee in einem christlich geprägten Viertel gegangen.
Was ist von diesen Auslösern zu halten Nun, sie erscheinen mehr als dürftig, wenn sie die Christen belasten sollen und das sollten sie ja, da die nachfolgende Gewalt von ihnen verschuldet gewesen sein muss, damit sich Moslems knapp zwei Monate später rächen können.
Im ersten Fall militante Muslime lauern Christen auf kann bei letzteren wohl kaum die Schuld liegen, auch wenn man die Darstellung der BILD-Zeitung vom 22. Januar nicht teilt: Auslöser waren offenbar Angriffe militanter Moslems, die Christen auf dem Heimweg vom Gottesdienst überfielen. Das offenbar bezieht sich auf die Darstellung von Human Rights Watch, eine nichtstaatliche Organisation, die sich weltweit für die Wahrung der Menschenrechte einsetzt und in Fragen religiöser und ethnischer Konflikte als neutral gelten kann. Human Rights Watch bezieht sich hierbei auf Polizeiangaben, doch die Menschenrechtsorganisation weist zugleich darauf hin, dass Vertreter der Muslime den Überfall bestreiten. Das offenbar ist hier also ebenso fehl am Platz wie das offenbar im Zusammenhang mit der Vergeltungsvermutung in der Berichterstattung des Spiegel zu den Ereignissen vom 7. März. Doch für die Widerlegung der Vergeltungsthese reicht es ja aus, wenn nachgewiesen wird, dass Christen keine Schuld an den Unruhen trifft, es muss nicht gezeigt werden, dass Muslime verantwortlich sind, obgleich das die Sache mit der Rache freilich vollends ad absurdum führte.
Im zweiten Fall wird davon ausgegangen, Jugendliche haben einen Muslim daran zu hindern versucht, sein Haus aufzubauen. Wie haben sie es versucht Und: Warum haben sie es versucht Das wird nicht gesagt. Im Spiegel zumindest nicht. Bei Human Rights Watch ist dagegen zu lesen, es habe eine Diskussion gegeben, weil das Haus in einer christlichen Siedlung errichtet werden sollte. Da stellen sich erneut Fragen: Warum gerade dort Wer provoziert hier wen Fragen ohne Antwort.
Der dritte Fall ist nun wirklich interessant: ein Moscheebau in einem christlich geprägten Viertel. Wieder stellen sich dieselben Fragen: Warum gerade dort Wer provoziert hier wen Und: Welchen Sinn macht der Bau einer Moschee in einem christlich geprägten Viertel Ein Schelm, der darin Expansionsgelüste sieht
Wie dem auch sei: Als eindeutige Schuldzuweisung an das christliche Lager taugen die drei mutmaßlichen Auslöser ganz und gar nicht. Das Eis für die Vergeltungsthese ist alles in allem sehr, sehr dünn.
Wenn Muslime Opfer sind, sind Christen dann die Täter Menschenrechtler Shehu Sani meinte ja, die meisten der etwa 300 Opfer der Januar-Unruhen seien Muslime. Nehmen wir mal an, er hat Recht. Dann stellt sich die Frage: Wenn Muslime Opfer sind, sind Christen dann automatisch die Täter In der Logik dieses Konflikts scheint es so zu sein, doch sollte man dennoch nicht ungeprüft davon ausgehen.
Zwar bestätigte auch Human Rights Watch, dass in der Tat bei den Ausschreitungen sowohl Muslime als Christen umkamen, nannte aber nur die Zahl der getöteten Moslems (nach Angaben muslimischer Kreise mindestens 364; die örtliche Polizei hält dies für falsch und auch Human Rights Watch erscheint die Zahl zu hoch und spricht infolgedessen von mindestens 150 muslimischen Opfern, was etwa der Hälfte der geschätzten Gesamtopferzahl entspricht), während die Zahl der getöteten Christen noch nicht genau ermittelt werden konnte.
Auch nährt die Menschenrechtsorganisation hinsichtlich der Täterschaft gewisse Zweifel an der Vermutung, es seien Christen gewesen, die das Blutbad angerichtet haben. Nicht näher spezifizierte Zeugen behaupteten lediglich, sie glaubten, unter den Gewalttätern Christen erkannt zu haben, so Human Rights Watch. Feststehen tut dies aber damit keineswegs. Zweifel scheinen durchaus angebracht. Warum, so fragt man sich zum Beispiel, sind wohl etwa die Hälfte der Opfer Christen (ausgehend von der Differenz aus vermutlicher Gesamtopferzahl und der Zahl muslimischer Opfer nach neutraler Schätzung), wenn es doch eine einseitige Gewaltaktion dieser Christen gewesen sein soll Im Zusammenhang mit dem Massaker vom 7. März wird von muslimischen Opfern nichts berichtet. Im Klartext: Die Identität der Täter vom 19. Januar ist völlig unklar. Zu hoffen ist, dass die polizeilichen Ermittlungen erfolgreich sind, damit diese Täter, welcher Religion oder Ethnie sie auch immer angehören mögen, ihrer gerechten Strafe zugeführt werden können.
Zwischenergebnis. Halten wir fest, was fest steht: Es gab im Januar eine oder mehrere Schlachten zwischen Christen und Moslems. Die Ursachen sind unklar, ebenso die Verantwortung für einzelne Morde. Es steht am Ende also nur fest, dass es Gewalt gab mit Opfern auf beiden Seiten. Alles andere ist Sache der laufenden Ermittlungen.
Es gab Gewalt. Gewalt aufgrund derer dann Muslime Rache üben Rache für was Dass sich Christen nicht auflauern lassen Dass sie keine Muslime als Nachbarn dulden Dass sie keine Moschee in ihrem Dorf haben möchten Oder Rache für die mutmaßliche Rache von Christen, die sich nicht auflauern lassen und nicht okkupiert werden möchten Wenn es denn überhaupt Christen waren, an jenem 19. Januar.
Die allgemeine Unklarheit über Anlässe, Ursachen und Täterschaft hält die Tagesschau jedoch nicht davon ab, ihre Analyse zu den jüngsten Vorfällen einzuleiten mit Auge um Auge, Zahn um Zahn: Seit Jahren massakrieren sich in Nigeria immer wieder muslimische Nomaden und christliche Siedler. Erst im Januar hatten Christen Hunderte Muslime getötet. Am Wochenende metzelten wiederum muslimische Viehzüchter Christen nieder. Mal die einen, mal die anderen. Wie gehabt: Religion führt zu Gewalt, die eine wie die andere. Damit hat die säkularisierte Seele ihre Ruhe. Auch wenn der Mittelsatz (Erst im Januar hatten Christen Hunderte Muslime getötet.) durch nichts, der Schlusssatz (Am Wochenende metzelten wiederum muslimische Viehzüchter Christen nieder.) dagegen eindeutig belegt ist, auch wenn die Ausschreitungen im Januar, wer auch immer im Einzelnen dabei war, ganz offensichtlich Teil einer Kette von Hass und Gewalt provozierenden Ereignissen waren (Quelle: die neutrale Instanz Human Rights Watch), die neuerliche Gewalt vom 7. März aber nur sehr umständlich und unplausibel mit den Ereignissen im Januar in Verbindung gebracht werden kann (Quelle: die alles andere als neutrale Instanz nigerianische Behörden), auch wenn die Aggression der Muslime geplant, koordiniert und konzertiert stattfand (Zeitungen berichteten unter Berufung auf Augenzeugen, dass die muslimischen Bewohner per SMS vor dem dreistündigen Massaker gewarnt worden seien), die der Christen wenn es denn Christen waren jedoch so spontan, dass es noch Widerstand geben konnte (Human Rights Watch weiß von einem Pastor, der mäßigend auf die Menge einwirkte), auch wenn also alles dafür spricht, als Journalist eine klare Position zugunsten der christlichen Kommunität zu beziehen, üben sich Tagesschau und Spiegel hinsichtlich der Schuldfrage nicht nur in einer vielleicht noch angemessenen Zurückhaltung, die Qualitätsmedien gut zu Gesicht steht, soweit sie sich der Neutralität verpflichtet fühlen, sondern sie verbreiten in unangemessener Weise freie Spekulationen über Vergeltung (Tagesschau) und Rache (Spiegel), die durch nichts belegt sind.
Die wahren Gründe der Auseinandersetzungen. Nicht wenige Beobachter vermuten, dass das Massaker vom 7. März eingebettet ist in eine islamistische Expansion zur Durchsetzung der Sharia in ganz Nigeria, getragen von radikalen, gewaltbereiten Moslems.
Selbst an einigen Stellen der Spiegel-Texte über die Unruhen im Januar wird die Sprache kurzzeitig verräterisch, wird der neutrale Duktus verlassen, der so sehr vermitteln will, es handle sich ganz allgemein um religiöse Gewalt zwischen gleich großen und gleich aggressiven Gruppen, die sich nun mal ab und zu in die Haare kriegen, mal aus dem einen und mal aus dem anderen Grund.
Am 22. Januar schreibt der Spiegel im Artikel Massaker in Nigeria: Hetzen, jagen, töten über die Gewalt: Dass radikale Muslime Jos attackieren wollten, darüber hatte es seit Wochen Gerüchte gegeben. Das kann ja nur bedeuten, dass radikale Muslime am Ende Jos attackiert haben. Sonst bräuchte man sich nicht mit derlei Gerüchten befassen. Weiter im Spiegel-Text: Es blieb gespenstisch ruhig eben bis vergangenen Sonntag. Es waren Szenen, wie sie Jos inzwischen kennt. Menschen rannten durch die Straßen, gehetzt, gejagt, auf der Flucht. Die Jäger hinter ihnen her, wen sie erwischten, metzelten sie nieder, Häuser brannten sie nieder, egal ob die Bewohner geflüchtet waren oder nicht. Nicht gesagt wird, wer in Jos wen gejagt hat. Doch im Zusammenhang mit dem Eingangssatz kann es nur bedeuten, Muslime haben zuerst Jagd auf Christen gemacht, die sich dann wehrten (denn es gab ja auch Opfer unter den Muslimen). Daraus einen Angriff der Christen zu machen, der jetzt vergolten wurde, ist wie gesagt mehr als abwegig.
Und dann der Satz, der wohl beim Redigieren durchgerutscht ist, weil er ein deutliches, so gar nicht Spiegel-typisches Bild der Grundsituation zeichnet, wie sie jedoch wohl wirklich ist: Von Norden her drängen die Muslime nach Süden, die Christen halten dagegen. Das hört sich schon sehr verdächtig nach Aggression an. Denn wieso drängen die Muslime nach Süden Was haben sie dort verloren Und was sollten die Christen denn tun, wenn nicht dagegen halten Die Rollen von Angreifern und Verteidigern sind also klar verteilt. Dennoch: Eine Fotostrecke wird entgegen der Faktenlage betitelt mit Christen gegen Muslime, so als seien die Christen diejenigen, die angreifen. Ebenso am 19. Januar, als der Spiegel einen Text Unruhen in Nigeria: Zahlreiche Tote bei Kämpfen zwischen Christen und Muslimen betitelt. Die Übergriffe der Muslime auf Christen werden im weiteren Verlauf der Darstellung euphemistisch Zusammenstöße zwischen Anhängern der beiden Religionen genannt. Stimmt ja auch. So wie eben Deutsche und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus ab und an zusammenstießen. Man könnte auch den Plan Barbarossa so beschreiben: Von Westen her drängen die Deutschen nach Osten, die Russen halten dagegen. Es liegt nun in der Logik der Spiegel-Darstellung, analog für die Deutschen ein Vergeltungsrecht abzuleiten, weil sie damals bekanntlich mit ihrer Eroberung des Lebensraums im Osten scheiterten.
Interessant ist auch, wie der Spiegel zunächst über das neuerliche Massaker vom 7. März berichtet: Während er zunächst im gewohnt neutralen Duktus von Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen spricht (Religionskrieg in Nigeria: Neue Gewaltwelle fordert dutzende Todesopfer, 7. März), muss er tags darauf unter dem überwältigenden Druck der Sachlage einräumen, dass in Jos wohl doch eher ein Massaker an Christen stattfand (Entsetzen über Massaker an Christen in Nigeria, 8. März), schiebt dann jedoch schnell die Rachethese nach: Hunderte Dorfbewohner sind in Nigeria brutal ermordet worden offenbar bei einer Racheaktion von Muslimen an Christen.
Wie offenbar es sich dabei um Rache gehandelt hat, habe ich versucht, nachzuvollziehen. Ohne Ergebnis. Mit ein wenig Mühe platzt die Vergeltungsvermutung. Wie bereits eingangs gesagt: Diese Recherchearbeit hätte ich gerne von den Journalisten erledigt gesehen.
Leider muss ich dem Spiegel nicht nur Fahrlässigkeit, sondern auch einen gewissen Vorsatz unterstellen, weiß er doch sehr wohl um die Gefahr der islamistischen Bedrohung des Südens durch den mehrheitlich muslimischen Norden, deren fanatische Strategen ein klares Ziel haben: die Einführung der Sharia in ganz Nigeria. Bloß hält er Zeugnisse darüber für Hysterie. Zu der Tatsache, dass während ähnlicher Unruhen und Zusammenstöße im Jahre 2008 Muslime aus den benachbarten Niger und Tschad festgenommen wurden, weiß der Spiegel nämlich nichts weiter zu sagen als dass dies ein Umstand ist, der von den Christen gerne angeführt wird, um die Bedrohung noch deutlicher zu machen. Es ist schon unverschämt von diesen Christen, jetzt auch noch gerne() darauf aufmerksam zu machen, dass sich die radikalen Muslime multinational und multiethnisch gegen sie verbünden. Die Christen sollten sich überlegen, dass sie damit die schöne These zunichte machen, es ginge den Islamisten in Nigeria um alles, nur nicht um die Einführung der Sharia. Diese panmuslimische Verbindung legt nun aber genau das nahe. Wenn Muslime über Grenzen hinweg kämpfen, dann kämpfen sie wohl für ihre Sache diese Vermutung scheint mir nicht so gewagt, als dass man sie unbedingt verschweigen müsste. Den Spiegel aber ficht das nicht an.
Auch der Umgang mit den muslimischen Tätern macht den Spiegel nicht hellhörig: Die Beschuldigten wurden in die Hauptstadt Abuja gebracht, danach hat man nichts mehr von ihnen gehört, Gerichtsverfahren gab es jedenfalls nicht. Weil die Gefängnisse auch in Nigeria notorisch überfüllt sind, wurden sie vermutlich freigelassen. Noch mal zu Erinnerung: Es handelt sich bei diesen Behörden, die muslimische Täter aus fadenscheinigen Gründen laufen lassen, um jene Behörden, die sagen, es handle sich bei dem neuerlichen Massaker an Christen in Jos um Vergeltung, was ihnen wiederum die (bislang) von mir hochgeschätzte Tagesschau ohne weiteres abnimmt.
Es geht um Stimmung, nicht um Wahrheit. Christen weisen gerne auf Fakten hin. Sehr gerne sogar. Im Gegensatz zu einigen Journalisten, die solche Fakten ich sage jetzt nicht: gerne übersehen. Die haben ihre eigene Denke. Statt Einführung der Sharia in ganz Nigeria als den wahren, aber politisch unkorrekten Grund der Gewalt zu benennen, wird von Vergeltung, Rache, Auseinandersetzungen, Unruhen, religiöser Gewalt und sonst was gefaselt. Stets klingt die Mitschuld der Christen an. Die passt in die Stimmung. Eine alte Journalisten-Weisheit lautet: Es muss nicht wahr sein, was Du schreibst, es muss nur stimmen
Mit diesem Ethos tragen einige Medien dazu bei, dass Menschen eine dumpfe Religionskritik aufbauen können, die sich in den Kommentaren auch prompt wiederfinden lässt, in denen dann allen Ernstes Sie erraten es die Kreuzzüge als Rechtfertigung einer legitimen muslimischen Vergeltung vom 7. März angeführt werden. Und für jede andere künftige Racheaktion auch. Dies ist zum einen Zeugnis eines verbohrten Christen- und Kirchenhasses, wie er hierzulande eine neue Blütezeit erfährt, zum anderen aber auch das Resultat eines verdammt schlechten Journalismus, wie er in Qualitätsmedien nichts zu suchen hat.
Noch mal zum Mitschreiben: Aus nicht klaren Gründen gibt es Gewalt, die von Tätern verübt wird, deren Identität im Dunkeln liegt. Die Opferzahlen sind unklar. Das reicht aber aus, um in deutschen Medien unhinterfragt die Sache mit der Rache breitzutreten. Es kann ja sein, dass einige radikale Muslime sauer sind und nach Rache schreien, wenn sie nicht so zum Zuge kommen, wie gewünscht, sei es, dass ihnen die Baugenehmigung für eine Moschee verweigert wird, sei es, dass sie mit ihren Auflaueraktionen zu früh oder zu spät kommen, weil sich die Gottesdienstzeiten der Gemeinden verändert haben, sei es auch nur, dass Christen etwas zu stark dagegen halten, wenn sie angegriffen werden. Das macht diese muslimischen Extremisten natürlich wütend und da braucht man sich eben nicht zu wundern, wenn die ein paar Wochen später noch mal angreifen. Warum auch lassen sich die Christen nicht gleich beim ersten Mal abschlachten Dann müssten die Islamisten auch nicht immer wieder Vergeltung üben Das alles mag in den Köpfen radikaler, gewaltbereiter Moslems herumspuken. Aber müssen deutsche Medien da mitspielen
Muslime wollen expandieren, lauern auf, greifen an, dringen ein; Christen verteidigen sich. Im politisch korrekten Sprachgebrauch heißt das: religiöser Konflikt, Zusammenstoß, Unruhe. Die Tatsache, dass Christen sich offenbar wehren, wenn man ihnen auflauert, in ihr Siedlungsgebiet eindringt, eine Moschee vor die Tür setzt, ist in diesem Duktus letztlich Anlass für Vergeltung. Die Aggression wird damit in unerträglicher Weise relativiert.
Mögen konkrete Vorfälle wie der vom 7. März auch andere als nur religiöse Gründe haben, die allgemeine Richtung ist klar: Islamistische Expansion zur Einführung der Sharia. Das ist der eigentliche Grund der Gewalt. Deutsche Medien sollten sich nicht länger scheuen, diese Wahrheit auszusprechen. Auch wenn sie nicht in die Stimmung passt.
Nachwort. Ich finde Gewalt widerlich und das zählen von Opfern ebenso. Das Rechtfertigen von Gewalt finde ich abscheulich und nichts liegt mir ferner als Gewalt, von wem auch immer sie verübt worden ist, zu rechtfertigen. Das heißt für mich jedoch nicht auf ewig zu schweigen, wenn subtil der Eindruck erweckt wird, Täter seien Opfer und Opfer Täter.
Es geht mir nicht darum, den Islam pauschal der Gewaltbereitschaft zu bezichtigen. Doch scheint es radikale muslimische Kreise zu geben, die vor Gewalt nicht zurückschrecken, wenn es um ihre Sache geht. Sie scheinen zudem einen erheblichen Einfluss zu haben. Es geht mir auch nicht darum, alle Christen dieser Welt pauschal von jeder Gewaltbereitschaft frei zu sprechen. Wohl aber ist mir wichtig, die Gewaltfreiheit der christlichen Religion zu betonen, die von den Gläubigen soweit es irgend geht nicht aufgegeben werden darf.
Dass dies geht, davon zeugt das Beispiel der couragierten Pastors, von dem Human Rights Watch berichtet. Besonders hoffnungsfroh macht, dass es ein Imam war, der von dem besänftigenden Eingreifen des christlichen Gemeindeleiters Zeugnis gab. Darum ist jener Vorfall für mich die eigentliche Botschaft dieser Tage aus Nigeria: die Mahnung an alle Christen, nicht menschlich, sondern christlich auf Gewalt zu reagieren. Sie gilt ebenso für die Muslime guten Willens. Nur gemeinsam gelingt es, nicht immer wieder Gleiches gleich mit Gleichem zu vergelten, sondern den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen und am Ende zu Versöhnung und Frieden zu gelangen. Das ist die Hoffnung. Der Pastor nährt sie durch sein gutes Zeichen. Leider war auch davon in den deutschen Medien nichts zu lesen.
Kommentar von: Josef Bordat