Börsen-Zeitung: Mut zur Verzögerung
Archivmeldung vom 11.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Zögerlichen erhalten selten Tapferkeitsmedaillen. Die jüngste Entscheidung der Bank von England, den britischen Leitzins unverändert zu belassen, ist jedoch eine auszeichnungswürdige Verzögerungstaktik.
Dazu muss man wissen, dass mit Jahresbeginn eine regelrechte Zinssenkungshysterie auf der Insel ausgebrochen ist, die mit einem real drohenden oder zumindest befürchteten Konjunktureinbruch im Zusammenhang steht.
Auf der High Street ist die Hölle los. Allerdings im umgekehrten Sinne, weil die Kunden scheinbar weglaufen. Anders ließe sich ja kaum erklären, dass einige Retailer über 20% ihres Marktwertes an der Börse verloren haben. Zuletzt erwischte es Marks&Spencer, das Traditionskaufhaus und Mittelstandssymbol schlechthin. Jetzt wurden die Rufe nach einer neuen Zinssenkung - es gab ja bereits eine im Dezember - so richtig schrill.
Der britische Verbraucher soll von abkühlenden Häusermärkten und verschlechterten Kreditkonditionen so verunsichert sein, dass nur noch Zinssenkungen in Serie ihn wieder auf die High Street zurückbringen. Die Regierung hat sich der Panik angeschlossen. Premier Gordon Brown orakelt über harte Zeiten und Turbulenzen von außen, die es zu glätten gilt. Finanzminister Alastair Darling hat trotz expliziten geldpolitischen Nichteinmischungsgebots nichts Besseres zu tun, als der Zentralbank vorzurechnen, dass sie mit Blick auf die Preisdaten noch einigen Senkungsspielraum hätte - zu einem Zeitpunkt, da die Regierung die Entscheidung zur Verlängerung des Mandats von Gouverneur Mervyn King bewusst nach hinten verlegte.
Allein schon wegen des ungebührlichen politischen Drucks ist zu begrüßen, dass die "Old Lady" standhaft und damit seriös bleibt. Um eine neue Zinssenkung zu begründen, braucht es genauere Daten zur Konsumkonjunktur als den Kursrutsch bei Marks&Spencer. Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass die britische Wirtschaft das überhitzte Tempo bei Kreditvergabe, Häuserpreisen und Output nicht durchhalten kann, ohne Inflationsziele zu verletzen.
Man könnte sogar sagen, dass die Kreditmarktkrise gerade recht kommt, um dringend benötigte Korrekturen einzuleiten. Es mag in den kommenden Monaten zwar noch Zinssenkungsbedarf geben, hoffentlich entscheiden darüber aber nicht die Panikmacher auf der High Street und in der Downing Street.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Norbert Hellmann)