WAZ: Kongresswahlen in den USA: Ende der Alleinherrschaft - Kommentar von Markus Günther
Archivmeldung vom 09.11.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlAm Tag nach der Präsidentschaftswahl 2004 verkündete George W. Bush stolz, er habe mit seiner Wiederwahl noch einmal kräftig "politisches Kapital gewonnen". Das war schon damals nicht ganz richtig, denn in erster Linie hatte Bush seine zweite Amtszeit einem schwachen Gegenkandidaten und einer desorientierten Opposition zu verdanken.
Doch auch wenn es dieses Kapital gegeben hat, so ist es
spätestens jetzt verbraucht, und der Präsident steht zwei Jahre vor
dem Ende seiner Amtszeit im Weißen Haus vor dem politischen Bankrott.
Denn natürlich war die Kongresswahl ein Votum gegen Bush und seine
Politik. Er ist der überragende Verlierer dieser Wahl.
Rumsfeld gleich tags darauf hinauszuwerfen, kann von Bushs
Niederlage nicht ablenken, aber es war unter diesen Umständen eine
logische Konsequenz: Wenn es für Bush überhaupt noch einmal einen
Neuanfang geben soll, muss er jetzt rasch handeln. Außerdem kann man
nun im Nachhinein noch leichter allein Rumsfeld die Schuld für das
Debakel im Irak anheften.
Den Demokraten ist es gelungen, die Parlamentswahlen auf eine Frage zu reduzieren: Weiter so im Irak? "Nein", lautete die Antwort der Wähler. Nach dreieinhalb Jahren Krieg, nach immer neuen Verlusten und den immer alten Durchhalteparolen des Präsidenten hat eine Mehrheit ganz einfach die Nase voll. Der Wunsch nach einem Kurswechsel im Irak war wahlentscheidend. Sogar republikanische Stammwähler in erzkonservativen Bundesstaaten waren bereit, ausnahmsweise einmal die Demokraten zu wählen. Seit dem Watergate-Skandal, so Meinungsforscher, gab es keine vergleichbar aggressive Stimmung gegen einen Präsidenten und eine Partei, wie sie jetzt Bush und den Republikanern entgegen schlug.
Doch einen radikalen Politikwechsel wollten die amerikanischen
Wähler nicht. Trotz der aggressiven Anti-Bush-Stimmung blieben viele
linke Oppositionskandidaten erfolglos. Gemäßigte Demokraten, die oft
erstaunlich konservative Töne angeschlagen haben, setzten sich
dagegen vielfach durch. Damit deutet sich eine Tendenz für künftige
Wahlen an: Die Demokraten werden sich im nächsten
Präsidentschaftswahlkampf nicht am linken Gegenentwurf abarbeiten,
sondern die politische Mitte neu besetzen, die freilich, was für uns
Deutsche nicht leicht zu verstehen ist, in den USA ein gutes Stück
weiter rechts liegt: Patriotismus bleibt wichtiger als Pazifismus,
Amerika bleibt ein religiöses Land, und der Irak-Krieg bleibt in
dieser Perspektive auch rückblickend legitim, nur soll er siegreich
beendet werden.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung