Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Energiekonzept
Archivmeldung vom 18.09.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt»Deutschlands beste Jahre kommen noch«, hat Norbert Röttgen 2009 bevor er Bundesumweltminister wurde, sein jüngstes Buch überschrieben. Er zeigt darin keine Furcht vor der Globalisierung, sieht vielmehr allen Grund, diese aktiv zu gestalten. Sozialethisches Fundament, Erhard'sche Ordnungspolitik und neue Technologien sind für ihn Rüstzeug für die Zukunft. Hinzu gesellt er das Zauberwort Effizienz und schon wird Energiepolitik zum Wachstumsmotor. Soweit das Buch und die Theorie.
Jetzt müssen an die Stelle von Thesen Taten treten, wie sein Energiekonzept, das Deutschland bis 2050 weitgehend emissionsfrei machen soll und Billionen Euro kostet. Versehen wird das Energiekonzept mit so altertümlichen Beigaben wie Strafen und Belohnen und einem kühnen Blick in die Zukunft. Dann sollen alle 40 Millionen Gebäude von Garmisch bis Flensburg entweder CO2-neutral oder abgerissen sein. Ein wahrhaft mutiger Entwurf, aber auch eine 2050 garantiert längst vergessene Behauptung von einem jener vielen Merkel-Männer, die dann nur noch die Geschichtsschreiber auflisten. In dieser Woche hat Röttgens Bundesumweltministerium erst einmal ganz im Stile der früheren Ressortchefs Sigmar Gabriel (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) Hausbesitzer, Wohnunsgbaugenossenschaften und Wahlkreisabgeordnete in helle Aufruhr versetzt. Eigenheimbesitzer fürchten den Ruin, Vermieter Leerstände. Zwangsmaßnahmen oder angesichts des unerwarteten Widerstands doch nur eine Art Abwrackprämie für Altbauten? Das muss der Minister entscheiden, bevor die Sache in Kürze auf den Kabinettstisch kommt. Alles, was bis jetzt bekannt ist, ist mehr geeignet Hausbesitzer und Mieter zu verunsichern, als Investoren den Taschenrechner zücken zu lassen. 2,4 Billionen Euro Kosten vermutet Peter Ramsauers (CSU) zuständiges Bauministerium, 2,6 Billionen stapelt der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft noch höher. Allerdings: eine 2010 installierte Heizungsanlage muss bis 2050 mindestens noch einmal ausgetauscht werden und Dämmstoffe von heute in 40 Jahren auch nicht mehr richtig warm halten. Außerdem wird ordentlich Energie gespart und niemand weiß, was Gas und Pellets dann kosten. Eine Rechnung mit viel zu vielen Unbekannten für seriöse Politik. Röttgen täte gut daran, zwischen Vision und Wirklichkeit zu unterscheiden. Nichts gegen kühne Blicke über die Tagespolitik hinaus. Aber große Teile Deutschland der Abrissbirne eines fernen Tages auszuliefern ist nassforsch. Lobenswert bleibt, dass der CDU-Umweltminister die Energiedebatte nicht länger auf die Kernkraft und deren Restlaufzeiten reduziert, wie es die rot-grüne Anti-Atomlobby tut. Das Klimaschutz- und Modernisierungsprogramm sollte von der Peitsche befreit und mit Zuckerbroten aufgehübscht werden, dann könnten Röttgens beste Jahre noch kommen.
Quelle: Westfalen-Blatt