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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Mehdorn

Archivmeldung vom 06.02.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.02.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wäre Hartmut Mehdorn ein Intercity, so könnte man sagen, der Zug war nicht nur zu schnell unterwegs, sondern fuhr auch auf einem Gleis, auf dem er nicht hätte fahren dürfen. Jetzt droht der »Zug Mehdorn« sogar endgültig zu entgleisen.

Ob der Intercity jemals wieder in die Spur zurückkommt und normal weiterfahren kann, darf bezweifelt werden. Vieles deutet darauf hin, dass der Zug für Hartmut Mehdorn bereits abgefahren ist. Der 66-Jährige ist nach all den Pleiten, Pech und Pannen der vergangenen Wochen nicht mehr zu retten. Nicht nur die Bespitzelung von mindestens 173 000 seiner Mitarbeiter und sein schlechtes Krisenmanagement haben dazu geführt, dass Mehdorn in absehbarer Zeit seinen Hut nehmen muss. Brüchige ICE-Achsen, die umstrittene Berufung des Gewerkschafts-Chefs Norbert Hansen zum Personalvorstand, das Hin und Her bei der Schaltergebühr, die Bonus-Affäre - Mehdorns Bilanz könnte besser sein. Die Bespitzelung hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Mehdorn ließ fast alle Beschäftigten überprüfen und stellte jeden Einzelnen somit unter Generalverdacht. Dabei spielt es keine Rolle, dass Mehdorn angeblich die Korruption bekämpfen wollte. Der Bahnchef hat das Vertrauen seiner Mitarbeiter massiv missbraucht und muss dafür die Verantwortung übernehmen. Sein Brief an die Mitarbeiter, in dem er von einer »falsch verstandenen Gründlichkeit« schrieb, hat seine Situation nicht verbessert, sondern verschlechtert, weil die Entschuldigung viel zu halbherzig ist. Nun fordern viele seinen Kopf. Trotz der massiven Kritik hat Mehdorn aber auch seine Verdienste. Er ist ein unbequemer Manager, hat der Politik nicht nach dem Mund geredet. Er hat seinen Auftrag sehr ernst genommen, die Bahn AG nach wirtschaftlichen und unternehmerischen Gesichtspunkten zu führen - vielleicht zu ernst. Verdienste hin, Aufklärung her: In der Politik hat das Säbelrasseln längst begonnen. Es geht nicht mehr nur um den Datenskandal, sondern um viel mehr. Die Parteien taktieren und wollen im Superwahljahr selbst Kapital aus dem Fall Mehdorn schlagen. Die CDU spielt auf Zeit, will Mehdorn möglichst noch retten, um ihn dann nach gewonnener Bundestagswahl gegen einen ihr nahestehenden neuen Manager auszutauschen. Für die SPD ist Mehdorn ein noch größerer Klotz am Bein. Er gilt als jemand, der den Sozialdemokraten nahe steht. Immerhin hatte ihn 1999 Kanzler Gerhard Schröder ins Amt geholt. Interessant übrigens, wie sich die Bahngewerkschaft, die ja die Interessen der Mitarbeiter vertreten sollte, verhält. Da wird fast die gesamte Belegschaft bespitzelt - und Gewerkschaftschef Hommel fordert nicht den Rücktritt, sondern nur eine Entschuldigung. Der Bahnchef selbst hat für Anfang nächster Woche Aufklärung versprochen. Sein Rücktritt oder Rausschmiss ist damit nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben.

Quelle: Westfalen-Blatt

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