Südwest Presse: Daimler
Archivmeldung vom 05.10.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn Berlin wurde gestern Firmengeschichte geschrieben. Daimler kommt, Daimler-Chrysler geht. Gut neun Jahre gemeinsame Zeit sind zu Ende, das Aufatmen darüber ist spürbar.
Denn es waren keine
harmonischen Jahre, es war eine Leidenszeit: für die Aktionäre, die
die Hoffnung auf durch die Ehe beflügelte Kurse schon bald aufzugeben
hatten; für die Mitarbeiter, die unter den Disharmonien litten,
Sparmaßnahmen hinnehmen, Doppelbelastung schlucken und Ängste um den
Arbeitsplatz durchleben mussten; für das Unternehmen selbst, das
durch die deutsch-amerikanische Verbindung mehr Negativschlagzeilen
machte als es durch gute Produkte je hatte wettmachen können.
Aber es gab auch Gewinner: die Heerscharen von Anwälten, Beratern und
Banken, die erst den Deal ein- und später, in anderer Besetzung,
wieder ausfädelten. Auch Bob Eaton gehört dazu, der Chrysler-Chef zum
Zeitpunkt der Fusion, der eine fürstliche Abfindung für seinen
vorzeitigen Ausstieg einstecken konnte. Natürlich Jürgen Schrempp,
Eatons Gegenüber auf Daimler-Seite, der mit der wachsenden Bedeutung
des Konzerns entsprechend entlohnt wurde, obwohl ihm viele
Fehleinschätzungen und Missgriffe unterliefen und in seiner Amtszeit
gigantische Vermögenswerte vernichtet wurden. Und schließlich die
derzeitigen Chrysler-Vorstände, die dafür mit Millionenzahlungen
entlohnt wurden, dass sie den Laden verkauften, zu dessen misslichem
Zustand sie wesentlich beitrugen.
Wer von Moral in der Wirtschaft spricht, wer sie anprangert, wer
wissen will, wieso das Vertrauen in die Führungselite deutscher und
internationaler Konzerne so beschädigt ist, dem kann auch die
Unternehmung Daimler-Chrysler als Anschauungsunterricht dienen. Gut,
dass es mit ihr ein Ende hat.
Ob die 39 Milliarden Euro, von denen Aktionärsvertreter in
Zusammenhang mit vernichteten Werten sprechen, stimmen, ob sie zu
hoch oder zu niedrig gegriffen sind - wer weiß es schon genau?
Tatsache ist, dass das transatlantische Abenteuer der Finanzkraft des
schwäbischen Vorzeigekonzern ganz Erhebliches abforderte. Angesichts
dieser Zahlen ist es fast ein Wunder, dass es dem Konzern heute so
gut geht.
Denn der befindet sich deutlich auf dem Weg nach oben. Er schickt
sich an, der nach Porsche und Toyota am besten verdienende
Automobilkonzern weltweit zu werden. Hohe Erträge sind kein
Selbstzweck, sondern die Grundlage der Zukunftssicherung. Was vor
wenigen Jahren noch undenkbar schien, ist heute nackte Realität: dass
auch die Giganten der Wirtschaft in die Knie gehen können, wie der
Niedergang der gesamten US-Autoindustrie zeigt. Oder dass sie von
Finanzinvestoren, von staatlichen Fonds oder von unglaublich schnell
unglaublich reich gewordenen Industriegrößen in Russland oder China
geschluckt werden können.
Gegen solche unerwünschten Übernahmen hilft nur ein hoher Aktienkurs,
dessen Basis ordentliche Erträge sind. Oder es hilft schiere Größe.
Die muss ja nicht immer durch eine Fusion zustande kommen, weil es
schwierig, oft auch unmöglich ist, wie gerade Daimler und Chrysler
zeigen, zwei Unternehmenskulturen, verschiedene Märkte und
unterschiedliche Kundeninteressen zu einem Ganzen zu verschmelzen.
Kooperationen sind da der schmerzfreiere Weg - wie sie jetzt zwischen
Daimler und BMW zumindest angedacht werden.
Quelle: Pressemitteilung Südwest Presse