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Gegen unsere eigenen Interessen

Archivmeldung vom 27.12.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.12.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wir hatten es bereits geschrieben – für die Bürger der Ukraine ist der Zerfall des Landes eine Tragödie sondergleichen. Das menschliche Leid, welches ein Bürgerkrieg mit sich bringt, ist enorm. Schließlich verläuft ein solcher Konflikt nicht allein entlang einer bestimmten geographischen Grenze. Er läuft durch Familien, durch Unternehmen, durch die politischen und gesellschaftlichen Institutionen und die Nachwirkungen halten Jahrzehnte an, selbst wenn irgendwann einmal die Waffen schweigen.

Angesichts dieses Leids wäre es die Aufgabe des Westens und Russlands, wenn sie sich tatsächlich freiheitlichen und demokratischen Werten verpflichtet fühlten, den Konflikt schnellstmöglich zu entschärfen. Dazu aber dürfen beide Seiten nicht dauernd noch mehr Öl ins Feuer schütten und müssen endlich beginnen, die Ereignisse objektiv und neutral darzustellen und zu beurteilen. Wer klar Partei ergreift, der kann nicht „ehrlicher“ Vermittler sein.

Keinesfalls sind die Rollen von Gut und Böse eindeutig verteilt. Ja, der Anschluss der Krim an Russland war völkerrechtstechnisch nicht hinnehmbar – aber der Westen hat für die ebenso völkerrechtswidrige Abspaltung des Kosovo sogar Krieg geführt. Die überwiegende Mehrheit der Krimbevölkerung war für den Anschluss an Russland. Der Grund hierfür lag im Verbot der russischen Sprache, welches durch die neue Regierung völlig ohne Not erlassen wurde. Zudem dürfte, wer Russlands Verhalten bezüglich der Krim kritisiert, im Falle der viel dramatischeren und blutigeren Besetzung Bahrains durch Saudi-Arabien nicht schweigen.

Wir wollen hier nicht missverstanden werden: Putin ist gewiss nicht der Verteidiger von Recht und Freiheit, als der er von einigen gerne hochstilisiert wird und ein „lupenreiner“ Demokrat ist er schon gleich dreimal nicht. Er ist ein knallharter Machtpolitiker, der seiner eigenen Agenda folgt. Auch er gießt gewaltig Öl ins Feuer. Er nimmt keinerlei Rücksicht auf den mehrheitlichen Wunsch der Ukrainer sich und ihr Land in Richtung Westen zu orientieren. Die Teilnahme russischer „Freiwilliger“ an den Kriegshandlungen wäre ohne Duldung des Kremls kaum denkbar. Die massiven Provokationen, Drohungen und versteckten Interventionen Russlands dürfen nicht übersehen werden. Sie sind es, die den Konflikt maßgeblich am Leben erhalten. Ob es Russland gefällt oder nicht – das Selbstbestimmungsrecht der Völker gilt nun einmal für alle Völker, auch und gerade, wenn es sich dabei um Nachbarn der russischen Föderation handelt.

Dennoch sollte es Teil vernünftiger internationalen Politik sein, immer auch die Interessen der Gegenseite zu verstehen und in die eigenen Überlegungen mit einzubeziehen. Dabei orientiert sich internationale Politik in erster Linie nicht an Werten wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie (auch wenn dies immer wieder gerne geheuchelt wird), sondern an Interessen – man kann dies bedauern, an dem Faktum selbst ändert sich dadurch aber nichts.

Genau hier sollte eigentlich jede Diskussion einsetzen: Was sind unsere Interessen? Nutzt eine Einbindung der Ukraine Deutschland und, wenn man es weiter fassen will, nutzt sie der EU? Die Antwort darauf lautet: Nein. Zwar mag die Ukraine eines der fruchtbarsten Länder der Welt sein, aber den produzierten Weizen wird sie – ebenso wie alle übrigen Rohstoffe – auch ohne Assoziierungsabkommen verkaufen wollen. Warum sollte Deutschland auf den russischen Markt mit 140 Millionen Konsumenten verzichten zugunsten eines Marktes mit 45 Millionen Konsumenten, von denen der Großteil zudem völlig verarmt ist? Ansonsten gibt es in der Ukraine eine gesellschaftliche Elite, die völlig korrupt ist, staatliche Institutionen, die den Namen nicht verdienen, Infrastruktur, die quasi nicht existent ist und nicht zuletzt eine religiös und kulturell tief gespaltene Bevölkerung.
Bereits die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens hat die EU überfordert und zahlreiche Konflikte, von denen der Streit um Sozialhilfe für EU-Ausländer nur der offensichtlichste war, aufgedeckt. Bereits die Aufnahme dieser beiden deutlich kleineren Länder zog eine Zerreißprobe nach sich, die immer noch nicht ausgestanden ist. Das britische Referendum über die EU-Zugehörigkeit, welches Premier Cameron unter dem Eindruck der im Zusammenhang mit der Einwanderungsproblematik stehenden UKIP-Erfolge den Bürgern zugestanden hat, steht noch aus.

Vorsichtigen Schätzungen zufolge würde es rund eine Billion Euro kosten, die Ukraine auf ein Niveau heranzuführen, von welchem aus man über einen EU-Beitritt vorsichtig nachdenken könnte. Geld, das niemand aufbringen kann und selbst wenn, es würde in den Taschen der Oligarchen verschwinden. Das ungleich kleinere Griechenland hat bisher mehr als eine Viertelbillion Euro erhalten, ohne dass sich auch nur ansatzweise eine Wende zum Besseren abzeichnen würde. Die Ukraine ist Griechenland hoch zehn. Eine Aufnahme der Ukraine in die EU würde selbige sprengen.

Auch liegen die gegen Russland verhängten Sanktionen letztlich nicht in unserem Interesse. Sie schaden unserer Wirtschaft, insbesondere den Mittelständlern und werden zeitgleich kaum für einen echten Wandel hin zu mehr Freiheit in Russland sorgen. Wandel erzielt man durch Handel, durch gegenseitigen Austausch, nicht durch Ab- oder Ausgrenzung und Blockaden. Die Ankündigung der USA das Handelsembargo gegen Kuba lockern zu wollen, bestätigt es klar: Sanktionen sind kontraproduktiv.

Es wäre also auch in diesem Konflikt angeraten, mehr Objektivität, mehr Besonnenheit und mehr Klugheit an den Tag zu legen und die eigenen Interessen nicht zu verleugnen. Dies bedeutet nicht, dass man die Ukraine einfach Russland überlässt. Es würde aber beispielsweise bedeuten, dass man bei zu schließenden Assoziierungsabkommen Russland miteinbezieht. Beispielsweise wäre es ein leichtes nicht nur mit der Ukraine ein Freihandelsabkommen zuschließen, sondern bei diesem auch Russland mitaufzunehmen. Dass die Ukraine – Selbstbestimmungsrecht hin oder her – zunächst nicht einfach so in die Nato aufgenommen werden sollte, versteht sich von selbst. Die größte und mächtigste Militärorganisation der Welt bis an die russische Grenze auszudehnen und den Russen so ein Gefühl

Quelle: Freitagsgedanken, von Dagmar Metzger, Steffen Schäfer und Christian Bayer, Liberale Vereinigung

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