LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Aufarbeitung
Archivmeldung vom 18.01.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Opposition im Bundestag lässt zum ersten mal die Muskeln spielen. Bislang von der schier übermächtigen großen Koalition zum politischen Stiefmütterchendasein degradiert, ist die gemeinsam getragene Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Rolle des BND im Irak-Krieg ein erster parlamentarischer Teilerfolg.
Da mag der SPD-Fraktionschef im Namen seiner Partei noch so sehr
schäumen und dem alten Regierungspartner Feigheit vorwerfen. Peter
Struck, als ehemaliger Verteidigungsminister nicht gerade ein
Außenstehender bei heiklen sicherheitspolitischen Entscheidungen,
müsste es eigentlich besser wissen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht
darauf, zu erfahren, ob sich Rot-Grün entgegen anders lautender
öffentlicher Friedensbotschaften im Irak die Hände schmutzig gemacht
hat.
Haben die geheimdienstlichen Aktivitäten die Grenze zur
militärischen Hilfe für die US-Truppen überschritten? Die
Glaubwürdigkeit der rot-grünen Regierung hängt an der Antwort auf
diese Frage. Und der Platz des Alt-Kanzlers in den Geschichtsbüchern.
Deutschland aus dem Krieg im Irak herausgehalten zu haben, gilt als
Verdienst Gerhard Schröders. Auf seinem strikten Nein zur
Angriffsallianz gegen das Saddam-Regime fußte sein hauchdünner
Wahlsieg vom September 2002.
Friedenskanzler - auf diesem Sockel steht Schröder noch. Aber er
wackelt bedenklich. Falls sich die Faktenlage anders darstellen
sollte als bislang bekannt, wird er ganz tief stürzen. Noch ist es
allerdings nicht soweit, politische Nachrufe verbieten sich deshalb.
Denn wie bei jedem Angeklagten gilt auch bei der alten Regierung
zuerst die Unschuldsvermutung.
Bereits der Ansatz der Vorwürfe erscheint bei den Grünen vielen so
ungeheuerlich, dass sie wie ihr Fraktionschef Fritz Kuhn den
Untersuchungsaussschuss lieber heute als morgen mit der Arbeit
beauftragen wollen. Schnelle Aufklärung statt weiterer
Verdächtigungen und Verschleierungen, heißt die einzig logische
Forderung.
Die schärfste parlamentarische Waffe wird also zum Einsatz kommen.
Da zeigt sich die seltsame Allianz aus Liberalen, grünen
Öko-Pazifisten und Linkspartei auf einer Kampflinie. Ihre Ziele
könnten unterschiedlicher allerdings gar nicht sein. Und das Gezerre
im Vorfeld um Details lässt bereits erahnen, wie schwer sich ein
Ausschuss mit geheimdienstlichen Aktivitäten tun wird.
Die Gefahr liegt nahe, dass die Hintergründe des BND-Einsatzes im
Irak nie ganz ans Licht kommen werden. Das bringt schon das
Agenten-Metier mit sich, in dem mit Tricks und doppeltem Boden
gearbeitet wird. Der Visa-Ausschuss, der die laxe Vergabe-Praxis in
Osteuropa nie konkret erhellen konnte, steht als Warnung. Auch für
Außenminister Steinmeier. Bei seinem Vorgänger Joschka Fischer
leitete die Ausschussvorladung den politischen Abstieg ein.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung