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WAZ: Harte Lektion für die Revolutionäre

Archivmeldung vom 25.01.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.01.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Viele Ägypter erinnern sich genau an den 25. Januar 2011 auf dem Kairoer Tahrir-Platz. Es war der Beginn der Revolution. Inzwischen steht der gestürzte Präsident Hosni Mubarak vor Gericht, ein demokratisches Parlament ist im Amt. Gewählt hat die Mehrheit die Muslimbruderschaft. Für viele sind die Islamisten die besten Garanten gegen Korruption und Günstlingswirtschaft.

Das sehen andere Aktivisten völlig anders. Sie wollen ihre Revolution vollenden. 12 000 Menschen sind seit dem Sturz Mubaraks von Militärtribunalen verurteilt, fast 100 Demonstranten erschossen worden. Auch deshalb schauen viele Revolutionäre mit Argwohn in die Zukunft. Für sie bahnt sich eine Komplizenschaft der Mächtigen an - zwischen Muslimbruderschaft und Armee.

360 Islamisten sind in das erste demokratisch gewählte Parlament Ägyptens eingezogen - 72 Prozent der Mandate. Das ist eine harte Lektion für die jungen Revolutionäre. An den Urnen gingen deren Parteien praktisch leer aus. Weibliche Abgeordnete kann man an den Fingern abzählen. Doch der Triumph der Muslimbrüder ist mehr als nur das Resultat von Sozialarbeit und Kleiderspenden in den Armenvierteln. Auch aus dem Mittelstand haben Hunderttausende den Islamisten ihre Stimme gegeben. Sie haben Vertrauen in die Verfolgten des Mubarak-Regimes. Sie wollen nicht länger einen Militärstaat mit ziviler Fassade erdulden und hoffen durch klare politische Verhältnisse auf eine innere Beruhigung ihrer Heimat.

Nach 30 Jahren Einheitsherrschaft steckt Ägyptens Parteiensystem in den Kinderschuhen. Diesmal waren die straff organisierten islamischen Organisationen klar im Vorteil, während ihre post-revolutionären Konkurrenten erst noch Tritt fassen müssen. Das aber kann in vier Jahren schon anders sein.

Auch die politisch-inhaltliche Mitte muss sich in Ägypten noch entwickeln. Diesmal konnten die Muslimbrüder das verwaiste Zentrum mit islamischen Werteparolen für sich reklamieren. Politisch befestigen aber lässt sich dieses Terrain nur, wenn das Motto "Islam ist die Lösung" auch mit konkreter Politik gefüllt werden kann.

Fazit: Gottesstaaten wie Iran und Saudi-Arabien können sich mit ihrem Ölreichtum alle Arten von Kulturkämpfen, rückständigen Gesetzen und islamistischen Seltsamkeiten leisten. Nicht aber Ägypten, das Touristen braucht und Investoren. Das werden auch die Sieger am Nil schnell begreifen.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (ots)

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