WAZ: Wie Liebe verteufelt wird
Archivmeldung vom 13.04.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Mittelalter drohte Homosexuellen die Todesstrafe. Unter Hitler warteten bis zu zehn Jahren Kerkerhaft auf Homosexuelle. Die Bundesrepublik reformierte erst 1969 erstmals den Nazi-175-Paragrafen; schaffte zwar erst 1994, aber immerhin den "Schwulenparagrafen" ganz ab - ein gewisser zivilisatorischer Fortschritt lässt sich erkennen. Freilich wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis Lesben und Schwule gesellschaftlich voll anerkannt sind.
Auch das selbstgewählte und selbstbewusste "Outen" von Prominenten wie Anne Will, Guido Westerwelle oder Klaus Wowereit hilft nur bedingt: Stigmatisierungen sind zäh. Umso schlimmer, wenn ein Gottesmann das Ausüben gleichgeschlechtlicher Liebe mit Sünde gleichsetzt. Wer kennt, wen stört schon der theologische, aber völlig lebensfremde Unterschied, dass die katholische Kirche zwar Homosexuelle anerkennt, nicht aber praktizierte homoerotische Liebe? Als Eindruck bleibt: Homosexuelle werden von der Kirche verteufelt. Das macht das Dasein der Betroffenen, die vielen Anfeindungen ausgesetzt sind, nicht leichter. Und das konterkariert jede bereits erreichte Liberalität. Aber auch für die Kirche gilt: Sie muss in der Lebenswirklichkeit ankommen. Gleich an der Christopher Street Day-Parade teilnehmen müssen ihre Vertreter ja nicht.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung