Boersen-Zeitung: Fait accompli
Archivmeldung vom 02.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Hoffnung auf den Bundesgerichtshof hat die rebellischen Kleinaktionäre von T-Online getrogen. Die Richter sehen keinen Anlass, die Freigabe der Fusion zwischen der Telekom und ihrer Internettochter in dritter Instanz zu verhandeln. Somit stehen die Gegner vor einem Fait accompli.
Die Entscheidung kommt nicht überraschend, denn das Frankfurter
Oberlandesgericht hatte gewichtige Gründe für die Freigabe angeführt,
die eine Neuverhandlung wenig angemessen erscheinen ließen. Als
Hauptgrund gelten die Beteiligungs- und Stimmverhältnisse. Angesichts
einer Hauptversammlungsmehrheit von über 99% der Stimmen für die
Fusion würde eine - womöglich jahrelange - Blockade dieser
Entscheidung durch eine kleine Minderheit die Kompetenzordnung im
Unternehmen auf den Kopf stellen. Dahinter steht das "Gesetz" des
Kapitalmarkts, nach dem die Aktionäre die Geschicke ihrer
Gesellschaft nach dem Gewicht ihrer Beteiligungshöhe bestimmen,
Kleinaktionäre also keine strategischen, sondern nur finanzielle
Interessen haben. Und zu deren Wahrung stehen andere Wege offen.
Diese sind allerdings lang und steinig, wie die leidvolle
Erfahrung der Beteiligten in zahlreichen Anfechtungsklagen und
Spruchstellenverfahren lehrt. Zwar haben die Fusionsgegner noch die
Chance, bei erfolgreicher Anfechtung Schadenersatz geltend zu machen.
Die konkrete Ermittlung des Schadens ist allerdings ebenso schwierig
wie zeitraubend. Gleiches gilt für ein mögliches
Spruchstellenverfahren, das die über das Tauschverhältnis erbosten
Kleinaktionäre anstrengen wollen. Auch hier zieht sich die Klärung
von Bewertungsfragen meist über Jahre in die Länge.
Das sind düstere Aussichten für den Streubesitz. Sie sind in
diesem Fall umso unbefriedigender, als sowohl das Landgericht
Darmstadt als auch das Frankfurter Oberlandesgericht explizit
Bedenken geäußert haben; im Hinblick auf Einwände in der Sache, die
"nicht alle als vollkommen unbegründet" gelten könnten, wie es hieß,
wie auch im Hinblick auf die "Bedeutung des Börsenkurses für das
Tauschverhältnis". Angesichts dieser Einschätzung der Richter ist die
Freigabe der Fusion ein schwerwiegender Schritt, der Fragen nach
einem angemessenen Anlegerschutz aufwirft - in jedem Fall die Frage
nach einer zeitlich angemessenen Klärung von finanziellen
Ausgleichsansprüchen.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung