Lausitzer Rundschau: Der Fall Kurnaz: Beunruhigende Defizite
Archivmeldung vom 19.10.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSelbst die Opposition hatte gestern weitgehend den Eindruck, dass das Verteidigungsministerium darum bemüht ist, die schweren Vorwürfe des Deutsch-Türken Kurnaz gegen die Elitetruppe KSK aufzuklären.
Davon mal abgesehen, dass jeder Vertuschungsversuch
vermutlich zum Scheitern verurteilt wäre, weil Medien und Abgeordnete
inzwischen überaus sensibilisiert sind - nichts anderes als
lückenlose Aufklärung muss man vom Ministerium auch erwarten.
Schließlich steht der Ruf der Bundeswehr insgesamt auf dem Spiel;
sowie die Akzeptanz der Bevölkerung für die vielen Auslandseinsätze
der Truppe gleich mit. Minister Jung persönlich wird ebenso eine
große Interesse daran haben, die Vorgänge schnell offen zu legen. Er
hat ohnehin schon genug Probleme angesichts der schlechten Ausrüstung
der Bundeswehr, angesichts seines stets forschen Vorpreschens, wenn
es darum geht, die Truppe an Friedensmissionen in aller Welt zu
beteiligen. Von der Kritik an seinem neuen Weißbuch, in dem er die
Sicherheitsinteressen Deutschlands formuliert, ganz zu schweigen.
Es gilt die Unschuldsvermutung, auch für Soldaten. Aber all zu oft
haben sich in den letzten Jahren im Kampf gegen den Terror Dinge
abgespielt, die man vorher nicht für möglich gehalten hätte. Erinnert
sei nur an die geheimen Foltergefängnisse und Gefangenentransporte
oder schlichtweg an die Verhaftungen und Entführungen von
Unschuldigen. Sollten sich also Kurnaz Vorwürfe bewahrheiten, wäre
dies ein Desaster für die politische und militärische Leitung der
Bundeswehr. Und zwar unabhängig davon, dass die Ereignisse einige
Jahre zurückliegen und in die Ära von Rudolf Scharping fallen. Denn
dann hätten Teile der Truppe bis heute ein gefährliches Eigenleben
entwickelt, das sich ganz und gar nicht mit ihrem Auftrag und vor
allem mit dem Grundgesetz deckt.
Die Parlamentsarmee wäre um ihren guten Ruf gebracht, weitreichende
Konsequenzen - politischer und militärischer Natur - unabdingbar.
Aber: Bewiesen ist eben noch nichts. Außer vielleicht, dass es
erhebliche Defizite in der Kommunikation gibt zwischen Soldaten im
Einsatz und ihrer Führung. Das ist allerdings schon beunruhigend
genug.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau