Westdeutsche Zeitung: Selbst zur Zielscheibe gemacht
Archivmeldung vom 13.03.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.03.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDa ist es wieder, das berühmt-berüchtigte Geschmäckle: Westerwelles Partner, ein Sport- und Show-Event-Organisator, begleitet den Außenminister ausgerechnet nach Brasilien, wo 2014 die Fußball-WM stattfindet. Bei einer Asienreise Westerwelles ist der Geschäftsführer einer Firma dabei, an der ein Bruder des Ministers beteiligt ist. Und im Reisetross des FDP-Chefs befinden sich Unternehmer, die zugleich FDP-Parteispender sind. Sind das für sich genommen Skandale?
Nicht wirklich. Kann man dem Außenminister gar vorwerfen, korrupt zu sein? Wohl kaum. Ist die Debatte damit also beendet? Noch lange nicht.
Sicher: Der Skandalismus ist eine typisch deutsche Sportart. Aber das reicht als Erklärung nicht aus. Dass sich Opposition und Kommentatoren mit Verve auf den Vizekanzler stürzen, hat er zu einem großen Teil auch sich selbst und seinen engsten Mitstreitern zu verdanken.
Niemand spielt so schön dramatisch den Beleidigten wie Guido Westerwelle. Das war in der Opposition vielleicht ein probates Mittel. Von einem Staatsmann erwartet man ein souveräneres Verhalten. Zudem sollte er es sich künftig verkneifen, auf polemische Weise ganze Bevölkerungsgruppen zu diffamieren. Hartz-IV-Empfängern "spätrömische Dekadenz" vorzuwerfen, mag zum FDP-Vorsitzenden Westerwelle passen. Eines Außenministers sind solche Äußerungen nicht würdig.
Die Analyse von FDP-Generalsekretär Lindner, sein Chef sei durch die von ihm ausgelöste Hartz-IV-Debatte zu einer Zielscheibe von Diffamierungskampagnen geworden, wäre treffend, wenn es Lindner nicht so passivisch ausdrücken würde. Richtig ist, dass sich Westerwelle zu einer Zielscheibe gemacht hat. Geradezu absurd ist Lindners Vorwurf, die Kritik an Westerwelle gefährde die Demokratie. Ist es nicht eher so, dass eine kritische Betrachtung jeglichen Regierungshandelns Demokratie erst möglich macht? Und was soll der Hinweis von Silvana Koch-Mehrin, die Kritiker hätten Vorurteile gegen Homosexuelle? Plumper kann man nicht versuchen, Gegner mundtot zu machen.
Nein, die Debatte endet nicht, so lange Westerwelle und Co. immer neues Öl ins Feuer gießen. Zurückhaltung ist angesagt - und eine strikte Trennung von Dienstlichem und Privatem.
Quelle: Westdeutsche Zeitung