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Garantieschmelze

Archivmeldung vom 07.10.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.10.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Mit einer vergleichsweise geringfügigen Produktanpassung hat die Allianz ein Fanal für die Branche gesetzt. Der Branchenprimus verspricht seinen Kunden für seine wichtigsten Privatkundenprodukte keine volle Garantie ihrer Beiträge mehr, sondern nur noch maximal 90 Prozent. Der Schritt kommt eigentlich nicht überraschend. Im epochalen Zinstief kommt jede Garantie Versicherer und Kunden teuer zu stehen.

Die Anbieter müssen für Garantieprodukte erhebliche Mengen an Eigenmitteln vorhalten, den Kunden entgehen Renditepunkte, weil der Versicherer in der Kapitalanlage eingeschränkter ist. Die Steigerung des Risikos für die Kunden ist überschaubar, da ohnehin auch bei 100 Prozent Beitragsgarantie nach 30 Jahren Vertragslaufzeit ein erheblicher Kaufkraftverlust zu Buche schlägt, wenn tatsächlich am Ende nur die eingezahlten Beiträge ausgezahlt würden. Es ist also eher eine psychologische als eine rational-ökonomische Hürde, unter 100 Prozent zu gehen.

Die Allianz ist nicht der erste Lebensversicherer, der von der vollen Beitragsgarantie abrückt, doch jetzt dürfte sich die Entwicklung im Markt beschleunigen. Viele Wettbewerber orientieren sich an der Marktführerin, deren Dominanz in der Lebensversicherung in den vergangenen Jahren immer größer geworden ist. Die Garantien in der Lebensversicherung dürften weiter schmelzen wie das Eis auf Grönland.

Die Ankündigung der Allianz hat jedoch auch eine politische Dimension. Sie bereitet den Boden für die Forderung der Branche, auch bei den staatlich geförderten Riester-Renten die Zinsrealität zu berücksichtigen und das Garantie-Niveau zu senken. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) griff die Steilvorlage denn auch gleich auf. Der Zeitpunkt ist gut gewählt. Denn im Bundesfinanzministerium wird derzeit an einem Referentenentwurf für die seit Jahren diskutierte Reform der Riester-Rente gearbeitet.

Trotz des forcierten Drucks dürfte die Branche eine Lockerung der Bruttobeitragsgarantie jedoch nicht so einfach durchsetzen können. Denn der jahrzehntelang kultivierte Hang zur Garantie ist den Deutschen nicht so schnell auszureden. So hat der Gesetzgeber mit dem Sozialpartnermodell in der betrieblichen Altersvorsorge zwar die Voraussetzungen für Betriebsrenten ohne Garantie, die dafür höhere Renditechancen bieten, geschaffen. Doch die Tarifpartner zögern. Einen großen Tarifabschluss dazu gab es noch nicht - obwohl die Möglichkeit seit fast drei Jahren besteht.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Antje Kullrich

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